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Kynosarges 2522

Das Thema mit der erlebten Zeit lässt mich nach wie vor nicht los:
Heute ist Mittwoch, 27. August am Abend und ich hatte mich kurzfristig entschlossen, die letzten zweieinhalb Tage nach meiner letzten Schicht zuhause zu verbringen. Für einige Zeit saß ich draußen in einem Café und las im genannten Buch über die deutschen Völker im ersten nachchristlichen Jahrtausend, die übrige Zeit, abgesehen von zwei Verteilaktionen Montag und Dienstag, verbrachte ich zuhause liegend mit abwechselnd Schlaf und YouTube-Videos. Diese Zeit blieb quasi ohne weitere Eindrucks verging entsprechend gefühlt recht schnell. 
Ganz im Gegensatz zur vorherigen Zeit während der 48h-Schicht Samstag auf Montag: Samstag Nachmittag zu Sonntag Abend für knapp 30 Stunden waren die Klientin mit Partner und Hund und ich im stellenweise noch sehr ruinenhaften Ahrtal, zunächst im dörflichen Altenahr in einem Hotel, dann am nächsten Mittag in Mayschoß auf einem Spaziergang in den Weinbergen und am Abend im städtischen Bad Neuenahr auf einem weiteren Spaziergang entlang der Ahr mit Restaurantbesuch. Allein die drei ziemlich verschiedenen Örtlichkeiten mit jeweils Aufenthalt für wenige Stunden konnten das Gefühl vermitteln, eine dreitägige Reise verbracht zu haben, während meine dreitägige Faulenzerei danach zuhause gefühlt zu kaum einem Tag zusammenschmolz. 
Den Nachmittag zuvor in Straßburg konnte ich die Sache mit der Motorkühlung lösen: Über dem Kugelkopfventil war ein Filterventil reichlich verschmutzt; nach dessen Reinigung floss deutlich mehr Wasser hindurch. Zudem war die Wasserleitung unnötigerweise nur knapp unterhalb der Wasserlinie verlegt. Nachdem ich sie etwas tiefer verlegt und den Impeller ausgetauscht hatte, funktionierte die Wasserkühlung schließlich. Zwei Probleme allerdings muss ich diesbezüglich bald noch beheben: Wahrscheinlich dadurch, dass über Winter Wasser im Motor und Getriebe belassen wurde und das dadurch zu Eis werden konnte, hat der Getriebeblock einen Riss bekommen, durch den das Kühlwasser in die Bilge läuft spätestens sobald der Impeller es nicht mehr in den Motor saugt. Ich muss also jedesmal das Seeventil schließen bevor ich den Motor ausschalte, so dass sich der Kühlkreislauf entleeren kann, sollte den Riss mit "Liquid Weld", im Prinzip einer metallischen Kunstharz-Paste, die sehr stabil aushärten kann, verschließen, natürlich ohne dabei das Getriebe zu verkleben, und sollte die Bilgepumpe wieder so instandsetzen, dass ich Wasser, das aus dem Getriebeblock tropfen könnte, rechtzeitig aus dem Motorraum pumpen kann, bevor es weiterfließt in die Bilge der Kabine - das wäre zwar nicht furchtbar schlimm, aber unbequem, denn der Kabinenboden würde dadurch ständig nass sein. 
Nichtsdestotrotz werde ich vom 01. bis 04. September zunächst vorsichtig die ersten Kanalkilometer mit dem Boot zurückzulegen versuchen. Einige weitere Arbeiten sind dann natürlich auch noch erforderlich am Boot: Ich möchte meinen Tiefenmesser wieder installieren, das Holz der Innen- und Außeneinrichtung schleifen und lackieren, die Bordelektronik überarbeiten bzw. neu aufbauen, nebst Solarpaneelen, sowie Küche und Sanitärbereich ausbauen. Später dann, zB in Marseille, folgt natürlich das Rigg, also der Mast und seine Abspannungen und die Leinen für die Segel. Außerdem wäre es langsam an der Zeit, die Dokumentation besser nach Plan laufen zu lassen, um daraus bald Videos für Youtube etc. erstellen zu können. Immerhin habe ich diesbezüglich Hoffnung in einen neuen Kontakt über Facebook, in eine Person, die sich den gleichen Bootstyp zugelegt hat, mit anderem Motor, und die seit einigen Jahren Erfahrung mit Segeln auf anderen Booten und mit Youtube hat. Aber natürlich sollte ich auch unabhängig von dieser Person ins Tun kommen. 
Im Zuge meines letzten Arbeitseinsatzes möchte ich noch eine Sache erwähnen, die mir persönlich etwas Probleme bereitet. Die beschriebene Situation soll nur beispielhaft stehen für unzählige andere, die quasi jeden Dienst auftreten: Als wir von dem kurzem Ausflug ins Ahrtal zurückgekommen waren, wollte die Klientin neue Vorräte einkaufen, per Lieferdienst, damit fast doppelt so teuer, als wenn sie selbst einkaufen gehen bzw. ihre Assisten schicken würde, aber sei's drum, darum geht es mir diesmal nicht. Aber sie wollte neue Bananen kaufen, und bat mich, die wenige Tage (vielleicht sogar nur zwei Tage?) zuvor gekauften, die noch nicht angerührt worden waren und nur wenige kleine Flecken hatten, wegzuschmeißen. Früher hatte ich, nur gelegentlich, gefragt, ob ich solche offensichtlich noch vollkommen genießbaren Lebensmittel übernehmen könne, teilweise für einen symbolischen Obolus, aber nicht selten stieß das bei ihr auf eine gewisse Irritation, da man ihre Entscheidung hinterfragen könnte, oder sogar auf Unmut, da sie sich möglicherweise vorstellt, man würde sich während des Dienstes eine Lebensmittelvergiftung zuziehen. Um also die ohnehin oft leicht reizbare Stimmung nicht zu gefährden, bin ich seit einiger Zeit dazu übergegangen, ohne jedes Aufhebens solche Entscheidungen von ihr umzusetzen, die mir innerlich fast das Herz zerreißen, gegen die ich aber zumindest heftige innere Widerstände verspüre. Und ich befürchte bzw. ich weiß, dass diese achtlose Haltung gegenüber Lebensmitteln die Norm in sehr großen Teilen unserer Gesellschaft ist, mindestens im sogenannten globalen Norden, aber wahrscheinlich auch darüber hinaus. Und das tut mir weh. Es wird ja gern ausgerechnet, wie viele Tonnen an genießbaren Lebensmitteln durch die Supermärkte etc., also auf der Seite, wo sie produziert und zur Verfügung gestellt werden, weggeworfen werden. Gern wird dabei übersehen, dass der Anteil weggeworfener, noch genießbarer Lebensmittel auf der Seite der Verbraucher, also bei uns individuellen Menschen, mit deutlichem Abstand größer ist. Und für viele gilt das als vollkommen normal. 
Unter den Videos, die ich die vergangenen Stunden sah, war eines dabei, fast eine Stunde lang, das über vier Jahre zusammenfassend zeigte, wie sich ein junges Paar in Spanien in den Bergen einen abseits gelegenen, aufgegebenen kleinen Hof mit Ländereien darum kaufte und mit vereinten Kräften beeindruckend aufbaute, dabei ein Kind bekam und bald ein weiteres erwartete. Beeindruckende Haus- und Hof-Aufbauten gibt es durchaus viele auf Youtube zu sehen. Was mich allerdings zum Nachdenken brachte, war der Umstand, dass beide etwa Mitte/Ende 20 waren und in gut harmonisierender Kooperation Dinge umzusetzen in der Lage waren, auf die ich schnell ziemlich eifersüchtig wurde, also auf die Kooperation, aber auch darauf, dass sie bereits etwa 20 Jahre jünger als ich solche gesunden Entscheidungen treffen und gekonnt umsetzen, während ich bis heute noch gefühlt im Dunklen tappe und noch nicht genau weiß, wohin mit mir, und auch darauf, dass sie beide eine beeindruckende, attraktive, sichtbare körperlich wie auch mental gesunde Verfassung aufweisen können. Solches zu sehen, lässt mich mit Schmerzen spüren, wie viel an Zeit ich bereits ungenutzt bzw. schlecht genutzt habe verstreichen lassen, und dass die verbleibende Zeit, aber auch die verbleibenden körperlichen Möglichkeiten weiter und weiter abschmelzen und dass ich doch endlich besser in Bewegung und zu richtigen Entscheidungen kommen möge. 
Für die kommenden Tage ist eigentlich schon alles im letzten Blogeintrag gesagt: Arbeit, Kind, Boot, Arbeit, Pause, Arbeit, Boot, Familienausflug, das ist im Prinzip mein restlicher August und mein September. Für den hochbetagten Freund möchte ich die Kindheitsfreundin finden, dazu habe ich schon den einen oder anderen Anhaltspunkt, außerdem sollte ich meinen alten Hafentrailer verkaufen, jetzt wäre eine gute Zeit dafür, zusätzlich erwarte ich vom Anwalt Ergebnisse und er von mir Geld, und dann könnte ich auch mal wieder meine Morgenroutine reaktivieren, denn es tat mir gut, sie zu verfolgen, sowie die 5-Minuten-Projekte zuhause, die Zeichnungen und Musik. 
Soweit...

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