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Wien in sechs Tagen nebst Bratislava

Zunächst ging die Fahrt von zuhause mit einer gebuchten Mitfahrgelegenheit nach Stuttgart. Der Fahrer, Angehöriger des Militärs, hatte einige interessante Ansätze und Denkanstöße zu interessanten Themen, die Fahrt war dadurch unterhaltsam bis tiefgründig. Dann, vom Raum Stuttgart, ging es am Folgetag nach Wien, nicht die vorgeschlagene schnellste, sondern die an Kilometern kürzeste Route. Dadurch kam Schönbrunn bereits am Anreisetag in all seiner übertriebenen, massive soziale Ungerechtigkeit ausstrahlenden Größe und Pracht ins Blickfeld. Der weitere Weg durch Wien bestätigte diesen Eindruck oft noch, und das Hotel, zu teuer für zu wenig Ausstattung und zunächst der Versuch, mit zu wenig als der gebuchten barrierefreien Leistung durchzukommen, trugen dazu bei, scharfen Unmut gegen kapitalistische Auswüchse zu schüren.
Am nächsten Morgen ging es früh in die Innenstadt, genauer zur Spanischen Reitschule. Kommt man nach Wien in die Innenstadt, kann es gut sein, dass man am ersten Tag im Zentrum eher auf Enttäuschung und Frust trifft, insbesondere, wenn man dort mit dem PKW unterwegs ist. Denn die Innenstadt ist quasi überladen von meist barocken Spuren unzähliger Monarchen und deren Anhangs, wulstige Architektur mit viel Tinnef, dazu bietet sich einem vielfach minderwertige Qualität zu überhöhten Preisen, Mozartkugeln, Sachertorten, Konzerte für alle, und schließlich kann man mit dem Wagen nirgendwo vernünftig parken - und tut man es doch, und sei es nur, um einer eingeschränkten Begleitperson aus dem Wagen zu ihrer Zieladresse zu verhelfen, so wird der Wagen trotz blauem Schein abgeschleppt. Wahrlich kein guter Beginn für eine Reise. Danach kann es eigentlich nur noch besser werden. Und das wurde es auch, bereits beim Unterfangen, den Wagen zurückzuerlangen: Der Weg dorthin bis zum Stadtrand von Wien führt durch ziemlich viel Grün und an Gewächshäusern vorbei. Unterstützt durch die neuen Medien lässt sich dann ein geeigneter Stellplatz finden und alles ist wieder gut. Der restliche Tag lässt sich entspannt mit einem Spaziergang vorbei an (Museums-)Palästen durch das MuQua (Museumsquartier) und mit dem Wagen einmal entlang des inneren und äußeren Ringes ausklingen.
Der Tag darauf begann mit einem Ausflug zur Donau und durch ein modern anmutendes Geschäftsviertel. Danach bot sich ein Besuch auf dem Naschmarkt an, der über der Wien liegt. Zahlreiche Händler aus aller Herren Länder versuchen dort die Passanten durch kleine Probierportionen davon zu überzeugen ihre vielfältige Ware zu kaufen. Ein kleiner Spaziergang von dort führte zum Hundertwasser-Kunstmuseum, zum Hundertwasserhaus und schließlich zur Albertina, die eine Ausstellung einiger Werke Munchs und seiner Freunde aufweisen konnte, zum Teil hochinteressante Bilder, zum Teil auch schwer zugänglich, nebst einer Ausstellung einiger Bilder von Monet bis Picasso. Zum frühen Abend hin fiel die Wahl auf ein etwas gehobeneres Restaurant für wientypische Speisen. Da es erst etwas später öffnete, ergab sich die Chance, eine Rollfahrt ins Grüne und in die Berge vor Wien zu machen. Dabei war auch ein kleiner Halt bei einem ursprünglich deutschen Discounter drin, der zwar das gleiche Firmenlogo verwendet, jenes allerdings auf einen anderen Namen zurückführt; das dortige Sortiment mit dem hiesigen zu vergleichen galt dieser Halt. Zurück im Restaurant, bestand wohl ein Merkmal der "Gehobenheit" darin, mit drei bis vier Servicepersonen einem einzigen Tisch übermäßig bis fast aufdringlich aufzuwarten. Die Hauptspeisen waren alle mit Fleisch, so dass man ohne Fleisch nur eine Vorspeise in größerer Portion nehmen konnte. Mit vollem Magen klang dieser Tag aus.
Der Folgetag, Gründonnerstag, galt einer Fahrt ins nahegelegene Bratislava. Im Vorfeld stand eine Bootsfahrt zur Debatte, doch letztlich fiel die Entscheidung auf den Wagen. Durch eine Unachtsamkeit zunächst ungewollt, aber dann dennoch willkommen, ging diese Fahrt über Bundes- und Landstraßen durch das Hinterland Wiens, was nach und nach an Besiedlung ausdünnte, während am Horizont, durch ein Hochhäuser-Ballungszentrum weithin sichtbar, sich die Hauptstadt der Slowakei ankündigte. Der Kontrast zu Wien zeigte auch heute noch, dass beide Städte für einige Zeit der so genannte Eiserne Vorhang trennte. Es war viel Reparaturstau sichtbar, und lediglich im historischen, touristisch gefragten Zentrum machten sich EU-Gelder bemerkbar, übrigens auch in puncto Barrierefreiheit. Neben dem Zentrum thront eine Burg als Wahrzeichen der Stadt, und im Stadtviertel dahinter auf einer Anhöhe fanden sich einige interessante Botschafts- und weitere Villen. Man mag von Weitem den Eindruck haben, Bratislava müsse eine Millionenstadt sein. Tatsächlich liegt die Einwohnerzahl aber unter einer halben Million. Dies wird auch durch das Stadtzentrum glaubwürdig, das man durch wenige Straßen durchqueren kann, auch wenn auf der Suche nach der Waldorfschule, die hinter einer netten Wohnsiedlung neben Schrebergärten liegt, sowie auf der Suche nach einem Weg durch die Karpaten, der sich mit einem großen Wanderparkplatz und Ausflugsziel für Familien, viel besucht, als Sackgasse entpuppt, die Stadt weitläufig wirkt. Ein weiterer Ausläufer der Stadt führt Richtung Stupava, ein Ort, bei dem man, wenn man neben der Kirche, auf deren Treppenstufen kniend Menschen vorösterlich beten, die Hauptstraße verlässt, um typische Bauernhöfe zu finden, alsbald statt asphaltierten nur noch Schotterwege mit tiefen Fahrspuren antrifft und sich im Ortsteil Hrube Luky in einer mysteriös bis gruselig anmutenden Gartensiedlung wiederfinden kann, in der man am besten wendet und sie schnell wieder verlässt. Auch im weiteren Verlauf der Route über Landstraßen nördlich zurück nach Wien halten sich Bauernhöfe verborgen, letztlich auch durch die anbrechende Nacht. Nach solch einer großen Runde war das Bett sehr willkommen.
Karfreitag führte zunächst zur Donauinsel, die ursprünglich gar keine Donauinsel war, da sowohl die Donau, um die Wiener Innenstadt zu entlasten und die dortige ursprüngliche Donau zum Kanal zu deklassieren, in ein neues Bett umgeleitet und damit menschengemacht ist wie auch die Insel dadurch, dass man zur Entlastung dieses neuen Donauarms ein weiteres Flussbett dahinter geschaffen und das Land dazwischen aufgeschüttet hatte. Diese Donauinsel ist etwas über 20 Kilometer lang und ziemlich schmal, an ihren Ufern häufen sich Daubelfischerkähne und Biberreviere. Bis zum Einsetzen des angekündigten Regens waren vier Kilometer in einer Richtung und wieder zurück möglich, danach wurde aus dem Vortag eine Tradition in der Suche nach den Waldorfschulen Wiens entwickelt, die zwar eine spannende Schnitzeljagd durch die Stadt ergab, ansonsten aber wenig erbaulich war, da die vorgefundenen, nur von außen sichtbaren Gebäude wenig für solche Schulen Typisches an Architektur erkennen ließen. Der dabei nahegelegene Schlosspark Schönbrunn lockte versuchsweise für einen Besuch, jedoch waren letztlich die ungewissen Wetterverhältnisse wenig überzeugend, so dass dieser Tag bereits am mittleren Abend ausklingen konnte.
Der folgende Tag schließlich sollte einer Bootsfahrt gelten durch den "Donaukanal" stromabwärts und der neuen Donau entlang wieder stromaufwärts durch die Schleuse Freudenau, vom Schwedenplatz bis zur Reichsbrücke. Zuvor noch bot sich genügend Zeit in der Innenstadt sich Sachertorte, wenig aufregend, und Wiener Melange zu widmen, bevor die Bootsfahrt losging. Ein ausgedehnter Fußweg führte anschließend von der Reichsbrücke am Praterstern vorbei und die Wien entlang erneut bis zum Naschmarkt, der dieses Mal gründlicher inspiziert wurde, bevor danach auch dieser Tag lecker ausklingen konnte.
Der letzte Tag in Wien, Ostersonntag, war für die Rückfahrt vorgesehen, doch auf dem Weg lud nun doch noch Schloss Schönbrunn mit seinem Park auf einen Besuch ein. Die weitere Fahrt auf der Autobahn stand unter dem Zeichen, ein freiwilliges Tempolimit von 110 km/h einzuhalten, was sich in überraschend großem Spritsparpotential äußerte.
Ostermontag blieb weitestgehend ruhig, am nächsten Tag fand die Fahrt ins eigene Zuhause per Anhalter statt, wobei zunächst der Stadtbus und ein paar Kilometer Fußweg notwendig waren. Ein Lift ergab sich nach etwa einer Stunde mit einer jungen Familie mit Wohnanhänger bis zum Hockenheimring, ein weiterer nach über zwei Stunden mit einem peruanischen Tätowierer gegen etwas Unterstützung bei den Fahrtkosten bis zu einer Brücke über die dadurch gut erreichbare Bahnverbindung, die die letzten Kilometer der Strecke abdeckte.

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