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Identität und Diskriminierung

In meiner Masterarbeit möchte ich mit dieser Thematik befassen.

Jüngst hat sich in den sozialen Medien eine Diskussion entwickelt, die mich in Aspekten auf meine Masterarbeit brachte, daher möchte ich die Diskussion hier umreißen:

Angefangen hat alles mit Flirtverhalten. Eine Person, die sich selbst als weiblich definiert, erklärte, dass sie bisexuell sei. Über ihr Flirtverhalten im Zusammenhang mit Frauen sagte sie, dass sie "Dude-Vibes" habe, ergo ihren maskulinen Energien mehr Freiraum lasse. Diese Aussage hatte das Zeug zu einem Trigger für mich, nicht weil sie mich verletzt oder so, aber weil sie meine Argumentationslust entfachte. Also fragte ich:

Was sind denn "Dude Vibes" bzw. "maskuline Energien"?

Die Mitforistin erkannte, dass sie dies wohl schwierig würde erklären können ohne auf binäre Stereotypen zurückzugreifen und meinte, dass sie beim Flirten mit Männern im Zweifelsfall auf anerlernte Verhaltensmuster zurückgreife (Haare hinters Ohr streichen, beiläufig reizvoll da sitzen, ein bisschen 'süß' sein, sowas) um ihr Interesse auszudrücken und die meisten Männer verstünden das dann auch und kämen ihr entgegen. Wenn sie mit Frauen flirte ändere sich oft ihre Körpersprache, sie sitze breitbeiniger, gehe und stehe aufrechter und ihr ganzes Verhalten wirke "männlicher". Sie habe diese "Dude-" Seite an ihr aber schon immer, das sei also nichts künstlich Anerzogenes, sondern nur ein bewusstes Einsetzen einer bestimmten maskulinen/dominanten Aura.

Diese Erklärung trug meiner Ansicht nach nichts zur Verbesserung bei. Klar verstand ich, was sie meinte, weil ich natürlich die gleichen oder zumindest sehr ähnlichen Stereotypen verinnerlicht habe, doch meine ich, dass diese Teil eines Sexismusproblems sind, unter dem u.a. Frauen* häufig strukturell leiden. Ich bohrte also weiter:

"Ist maskulin also ein Synonym für dominant? "Breitbeinig und aufrecht" ist männlich?
Hmm...
Also wenn jetzt beispielsweise ein homosexueller Mann beim Flirten mit seinem signifikanten Gegenüber ganz undominant "die Haare hinters Ohr streicht, beiläufig reizvoll da sitzt und ein bisschen "süß" ist", ist dieser Mann dann weniger maskulin, weniger männlich?"

Andere Leute schalteten sich nun ein. Es wurde geäußert, dass "männlich" und "weiblich" auf Geschlecht/Gender referenziere, "maskulin" und "feminin" allerdings auf gewisse Verhaltensmuster, die aus aktuell noch weit verbreiteten Stereotypen abgeleitet würden und daher für eine einfachere Beschreibung hilfreich seien. Es könne demnach eine männliche Person geben, die sich feminin verhalte.
Ich verstehe natürlich weiterhin, was gemeint ist, wie oben bereits erwähnt.

Im Folgenden möchte ich einfach nur noch meine weiteren Ausführungen festhalten:

Auf die Frage, wie es besser ausdrücken:
"Du kannst einfach sagen wie Du es ja gesagt hast, dass Du in der einen Situation lieber "süß" bist, in der anderen eher dominant. Das ist aber beides nicht irgendwie "maskulin" oder "feminin", meine ich. "Maskulin" wäre wohl am ehesten, wenn Deine Pronomina "he/him" sind. Unabhängig davon ob Du "süß" oder dominant bist."

Antwort darauf, dass he/him-Männer trotzdem feminin sein können:
"Ich meine, dass genau das mit das Problem ist, warum wir diese binäre Denke haben, die Menschen in Rollen "einsperrt". Ich finde, es muss dahin gehen, dass es genauso vollkommen maskulin ist, wenn ein Mann sich seine Nägel lackiert, ein Kleid trägt, sich seine langen Haare hinters Ohr streicht und "süß" ist. Wir alle stecken voller verschiedener Rollen abhängig von verschiedenen Situationen und einige darunter, zumindest einige ihrer Merkmale, sind möglicherweise polar zueinander im Sinne von bspw. "dominant" vs. "unterwürfig". Ich halte es aber für verkehrt bis gefährlich, einige dieser Merkmale als für irgendein Geschlecht "original", vom anderen Geschlecht dann adaptiert, zu sehen. Deswegen würde ich vorschlagen, auf "feminin" und "maskulin" in diesem Zusammenhang gänzlich zu verzichten und es höchstens noch synonym zu "weiblich" und "männlich" im Sinne der Identität, der Pronomina zu verwenden. Zu menstruieren oder einen Penis zu haben, so sollte es 2021 sein, ist nämlich auch nicht mehr "feminin" oder "maskulin" oder "weiblich" oder "männlich"."

Antwort darauf, dass das binäre Geschlechterbild im Alltag sehr präsent ist:
"Das ist eine Normativität, die uns glauben lässt, irgendwas sei "natürlicherweise so oder so" und ist Teil des Problems."
"Und ebendiese Stereotypen aufzulösen, darum geht es doch. Die sind vielleicht sehr weit als Gewohnheit verbreitet, aber sie sind ja nicht wahr, sondern nur normativ. Du kannst "Genital = Geschlecht = Erfüllung von Geschlechterstereotypen" längst naturwissenschaftlich nicht mehr halten."

Antwort darauf, dass man Ist-Situationen analysieren und nutzen solle um zu einer Soll-Situation zu gelangen:
"Ebendieses habe ich doch hier getan, indem ich "reingegrätscht" bin, als ich etwas von "Dude-Vibes" und "maskulin, weil dominant" gelesen habe."

Antwort darauf, dass wir gesellschaftlich noch nicht so weit seien und dass es daher okay sei Stereotype zu bedienen:
"Ich denke halt, dass wir Stereotypen und Normativitäten nicht unbedingt so gut auflösen, wenn wir sie fortwährend weiter bedienen, sondern nur, wenn wir sie geistig durchdringen und relativieren.
Das sollte hier mein Versuch sein. Wahrscheinlich war er aber zu hart und möglicherweise daher unpassend. Falls dem so war, falls ich jemandes Gefühle verletzt haben sollte, bitte ich dies zu entschuldigen."

Antwort auf die ursprüngliche Mitforistin, die vorschlägt, männlich und maskulin bzw. weiblich und feminin voneinander unabhängig, gegebenenfalls sich widersprechend zu benutzen:
"Ich glaube zwar zu wissen, was Du damit meinst, aber das sind ja eigentlich nur die lateinischen Namen für die gleichen deutschen.
Man müsste sich überlegen, ob man damit nicht das Problem nur verlagert.
Amazonen z.B. sind meiner Ansicht nach kriegerische, möglicherweise mal zum Menstruieren befähigt gewesene Menschen. Ich weiß nicht, ob ich das maskulin nennen würde."

Ich solle also andere Beispiele dafür bringen:
"Ich bin mir inzwischen ziemlich sicher, dass wir Menschen uns alle "von Natur aus" viel ähnlicher sind als wir gegenwärtig bereit wären uns einzugestehen und dass wir sozial Rollen entwickelt haben, die uns glauben lassen, wir seien weiter von einander unterschiedlich.
Ich selbst bin inzwischen soweit, dass ich mich mit männlichen Pronomina nicht gut beschrieben empfinde. Ja, zu meiner Persönlichkeit gehören viele Merkmale, worunter "Männlichkeit" (im Sinne der Fortpflanzungsmöglichkeit) auch vorhanden ist.
Ich finde es aber daneben, mich in allen möglichen Situationen des Alltags darauf zu reduzieren. Diese Binarität wirft uns dann nämlich oft in diese Geschlechterstereotypen zurück, wir "spielen nach erwarteter Rolle", obwohl wir eigentlich so gar nicht sind (und in heutiger Zeit auch immer weniger sein wollen zum Glück).
Auf die Spitze getrieben, würde ich sagen, gibt es "Männer" und "Frauen" so gar nicht, weswegen mir auch die Pronomina-Sache in der Genderfrage nicht so optimal und höchstens als Übergangsstadium nützlich vorkommt.
Ich kann nur für mich selbst sprechen, wenn ich sage, dass ich in erster Linie Mensch bin, und als Mensch habe ich bestimmte Genitalien, Hormone und Chromosomen, das will ich gar nicht leugnen, aber sie definieren eben so gut wie gar nicht und nur in wenigen Aspekten des Lebens, wie und wer ich bin. Die allermeiste Zeit spielen wir aber nach erwarteter Rolle, wie oben schon gesagt, weil wir diese Rollen aktiv am Leben erhalten.
Kinder machen uns Erwachsenen in dieser Hinsicht gut vor, worauf ich eigentlich hinaus will (zumindest die Kinder, die man hoffentlich noch nicht zu sehr in ihre Geschlechterrollen gezwängt hat): Sie sind unbefangen in ihrem Menschsein, sind in der einen Situation fürsorglich, in der anderen dominant, in der dritten unterwürfig, in der vierten sportlich verausgabend, und ob sie das als Mädchen oder Junge sind spielt keine Rolle (wie gesagt, solange man sie noch nicht mit diesem Rollendenken verdorben hat).
Wir Erwachsene _könnten_ dies auch. Wir sollten, um dies leichter erreichen zu können, von binären oder überhaupt geschlechtlich orientierten Pronomina fortkommen, einfach unser Menschsein, also uns als Person ins Adressfeld nehmen als Eigentümer sehr vieler diverser Merkmale, von denen einige uns stärker, andere uns weniger stark prägen. Deren ungeachtet obliegt es uns dann trotzdem individuell zu bestimmen was oder wer wir sind. Dies kann dann ein Rufname sein, ein Beruf als Berufung, eine Mission, eine Begabung, ein Vermächtnis, irgendwas, was wir mit uns selbst in Verbindung als bedeutend empfinden.
In diesem Kontext komme ich mir missachtet und reduziert vor, wenn ich ein Mann sein soll und auf mich mit "er/ihm" referenziert werden soll.
Ja, ich weiß, das ist sehr idealistisch und sehr weit davon entfernt, was heute alltägliche Realität ist.
Die Realität, die wir vorfinden, haben wir möglichweise nicht zu verantworten. Aber die Realität, die wir gestalten und anderen hinterlassen eben schon."

Eine andere Mitforistin wolle ebendies nicht, sondern wolle Frau sein und zeigen, dass Frauen auch laut sein können. Auf meine Frage, was für sie denn "Frausein" ausmache, kam ihre Gegenfrage, was es denn ausmache sich nicht so zu bezeichnen.
Eine weitere Mitforistin kam hinzu und meinte, wir sollten mit diesen Themen eher nach außen etwas zu verändern versuchen anstatt uns intern so aufzureiben. Dazu:
"Danke, Du hast recht, dass ich meine anklagende und möglicherweise aufklärerische Energie besser in Richtung der Personen investieren, deren Sensibilität in der Richtung wenig bis gar nicht entwickelt ist, und nicht in Richtung derer, die sich sensibilisiert und bewusst durchs Leben bewegen", und auf die Kritik an meinem "Anklagen":
"Ja, mir fiel da gerade nichts besseres ein. 🙂
Ich muss halt auch dazu sagen, dass ich, was Feminismus und andere Antidiskriminierungsthemen angeht, so gut wie keine Praxiserfahrung habe (außer was halt meine eigenen Gefühle betrifft), mich auch nur selten mit Leuten in der Materie ausgetauscht habe und vor allem halt meine Theorien entwickle nach logischen, naturwissenschaftlichen und philosophischen Gesichtspunkten.
Dass ich damit möglicherweise die Lebensrealität einzelner Leute und Gruppen verpasse, insbesondere ja auch meine eigene, das sehe ich ja.
Dennoch sehe ich die Ursache dieser Diskrepanz nicht so sehr darin, dass meine Theorien Irrtümer sind (lasse mich aber gerne aufklären), sondern darin, dass ich mein Entwicklungspotential noch nicht erschlossen oder ausgeschöpft habe."

Antwort auf den Einwand einer weiteren Person, dass wir wohl alle Schubladen hätten und uns unter "Dude-Vibes" alle wohl etwas vorstellen konnten:
"Ich bin kein Freund von Polemik, weil sie oft zusätzlichen Stress in den Ausstausch bringt.
Einfach, um vielleicht mit meinem Anliegen besser verstanden zu werden, möchte ich hier aber ein polemisches Beispiel bringen: Wenn ich "Südländer-Vibes" sage, hat vermutlich auch jede:r eine Vorstellung, was das bedeuten könnte. Trotzdem ist das hochproblematisch. Andere "###-Vibes" könnten sogar, und zwar zu Recht, für blankes Entsetzen sorgen, wenn jemand so auf bestimmte echte oder angenommene Stereotypen referenzieren würde.
"Dude-Vibes" hören sich für die meisten in den meisten Zusammenhängen weniger problematisch an, ich würde aber sagen, sie gehören formal zur selben Kategorie."

Dazu, dass die Person meint, sie verwende herkunftsbezogene Stereotypen eigentlich nur im positiven Kontext:
"Würdest Du dann im Rahmen herkunftsbezogener Stereotypen auch sagen, dass Afrikaner:innen besonders gut, ausdauernd und schnell laufen können?
Ja, Polemik, ich weiß, sorry...
Ich denke, es ist nur sehr menschlich, dass wir die permanente Flut an Sinneseindrücken und Erfahrungen ordnen und, um besser=erfolgreicher mit der Welt interagieren zu können, nach Mustern/Pattern suchen und diese dann möglicherweise zu Stereotypen entwickeln.
Aus solchen Stereotypen entwickeln sich allerdings recht schnell alle möglichen -ismen, die zu Diskriminierung führen. "Diskriminierung" bedeutet ja im neutralen Sinn einfach nur "Unterscheidung", dennoch führt Diskriminierung oft dazu, dass Menschen Gruppen und Eigenschaften zugeordnet werden, die gar nicht zu ihnen passen. Dies wird vor allem dann zum Problem, wenn durch diese Diskriminierung die Möglichkeiten ihrer Entfaltung eingeschränkt werden. Diskriminierung ist es auch dann, wenn Stereotypen "im positiven Kontext" zugeschrieben werden. Wenn Du die Erwartungshaltung hast, Lateinamerikaner:innen seien gute Tänzer:innen, und Du bist erstaunt (bzw. drückst Dein Erstaunen darüber aus), dass eine erwartete "gute Tänzerin" sich als Astrophysikerin von Weltrang herausstellt, kann das für die betroffene Person schon unangenehm sein. Wenn ihr zudem "wie selbstverständlich" ein Stipendium für eine Tanzschule, aber keines für ein Physikstudium gewährt wird, ist offensichtlich, wie problematisch das sein kann.
Sicherlich meinen es viele auch "im positiven Kontext", wenn sie sich fragen, wie Baerbock "als gute Mutter" Zeit für eine Kanzlerschaft finden will, während so gut wie niemand sich fragt, wie jemand "als guter Vater" diese oder jene Karriere anstreben kann.
Ich will mich selbst ja gar nicht freisprechen von irgendwelchen Stereotypen, die ich, bewusst oder unbewusst, fast täglich verwende und die oft nicht nur möglicherweise, sondern ganz tatsächlich problematisch oder sogar hochproblematisch sind.
Wie gesagt, wahrscheinlich passiert das ganz automatisch, dass wir Stereotypen entwickeln. Vielleicht ist das auch gut und richtig und notwendig so um herauszuschälen, wer wir selbst sind (das ist eben Untersuchungsgegenstand meiner Masterarbeit, mit der ich allerdings noch nicht begonnen habe).
Wir betreiben also quasi ständig Othering, im positiven wie im negativen Kontext, und es kostet Anstrengung, Geduld und Sensibilität, uns dessen in einem ersten Schritt überhaupt bewusst zu werden, und in einem zweiten, dies möglichst aufzulösen.
Menschen und ihre Merkmale verschwinden dadurch ja nicht. Es gibt dann ja weiterhin Menschen, die gute Tänzer:innen und/oder gute Regierungschef:innen und/oder gute Familienmenschen sein können. Aber wir hören dann hoffentlich auf, bestimmten Menschen aufgrund bestimmter echter oder vermuteter Merkmale mit einer bestimmten Erwartungshaltung entgegenzutreten und warten stattdessen gänzlich unvoreingenommen darauf, welche Identität und Persönlichkeit sie uns von sich zeigen (wollen).
Ich bin selbst noch sehr weit davon weg, weiter wahrscheinlich als einige hier in der Gruppe, weiter als einige Mitdiskutant:innen. Außerdem ist wohl in absehbarer Zeit nicht zu erwarten, dass sich die Gesellschaft in signifikanten Teilen auf so eine Wandlung einlassen wird. Insofern ist mein Theoretisieren wahrscheinlich mehr ein "weltfremdes Utopisieren" und dient höchstens als mögliche, weit entfernte Zielvorstellung, und es wäre und ist vermutlich hilfreicher, den Status Quo zu bearbeiten, FLINTA-Safespaces und Frauen*- und andere Quoten einzurichten uvm. und wahrscheinlich ist die Arbeit derjenigen Menschen, die sich in jener Richtung engagieren, wesentlich wertvoller als das, was ich hier mache. 🙂
Komplett unnütz finde ich mein Theoretisieren allerdings auch nicht."

Nachfrage zu "FLINTA":
"Das Akronym "FLINTA" steht für "Frauen, Lesben, inter-, nicht-binäre, trans- und agender"-Personen."

Antwort auf einerseits die Anmerkung, dass ich ja gut theoretisieren könne solange meine Existenz nicht vom Status Quo infrage gestellt würde sowie darauf, dass die Kategorien "maskulin" und "feminin" nicht aufgelöst werden müssten, solange keine Hierarchisierung damit einhergehe, denn nichtsdestotrotz seien diese Kategorien ja aktiv:
"Fast nichts von dem, was Du sagst, habe ich bestritten oder würde ich bestreiten.
Ich bin mir ja auch der Problematik bewusst, dass ich als unter aktuellen Zuschreibungen als het-cis-m gelesene Person wahrscheinlich am wenigsten Benachteiligung erfahre und daher meinen Ausführungen die Wichtigkeit und Relevanz entzogen werden, ja sie sogar als sowas wie "Mansplaining" problematisiert werden können - ich denke, selbst wenn ich dies wohl nicht wollte, steckt gewiss in einigen meiner Zeilen "Mansplaining" drin.
Dass ein Merkmal gegenüber einem anderen höherwertig eingestuft werden könnte, das gilt für mich als selbstverständlich verkehrt, dass ich es nicht für notwendig hielt, dies noch zu betonen.
Wenn Du die Kategorien "maskulin" und "feminin" nicht auflösen willst, wofür sollen diese Begriffe dann stehen? Ich denke nämlich, dass, wenn wir Sexismus beenden wollen, dies möglicherweise darauf hinausläuft, dass dies "leere" Kategorien sind, die quasi nur sich selbst enthalten.
Aber vielleicht kennst Du ja Merkmale, die Du diesen Kategorien aus gutem Grund zuodnest, die ich übersehen habe bzw. nicht kenne? Dann hätte ich gerne eine Aufklärung."
"Und, ach ja, ich stecke eben nicht sehr tief in der Materie. Vieles davon habe ich akademisch oder im Austausch mit anderen nur gestreift, bin noch dabei es akademisch zu bearbeiten und habe es meist einfach nur durch diese wenigen Kontakte angeregt aus eigenen Überlegungen entwickelt.
Dennoch erscheint mir vieles davon logisch wie moralisch schlüssig. Wenn ich mich da an bestimmten Punkten oder komplett irren sollte, freue ich mich über korrigierende und auch ganz allgemein über jede weitere Anregung."

Dazu, dass die Kategorien "maskulin" und "feminin" nicht abgeschafft werden müssten:
"Okay, dann auch an Dich die Frage:
Wenn die Kategorien "maskulin" und "feminin" nicht aufzulösen sind, wofür sollen diese Begriffe dann stehen?"

Es sei nicht an jener Person das festzulegen, weil das durch die Gesellschaft von alleine geschehe. Jede:r habe dazu ein Bild im Kopf. Dazu:
"Dass diese Stereotypen sehr weit und äußerst beharrlich verbreitet sind weiß ich ja. Ich habe diese ja ebenfalls internalisiert und verstehe ja auch weitestgehend, was gemeint ist. Aber ist das auch gut und richtig so, so dass wir das feministisch gesehen so haben/behalten wollen? Ich meine halt, dass wir besser davon wegkämen, weil u.a. daran ein Teil der Problematik hängt."
Und:
"Dass wir die Gesellschaft sind, dass also sowas nicht "von allein" passiert, sondern es an uns liegt, Veränderungen auf den Weg zu bringen, wenn wir diese für sinnvoll halten, war ich gerade dabei in meinen vorigen Kommentar noch hinzuzufügen."

Dann war es bereits spät in der Nacht. Mein letzter Erklärungsversuch zu "maskulin" und "feminin" war wie folgt:
"P.S.: Ich kann mich ja auch noch an "maskulin" und "feminin" versuchen:
Meiner vorsichtigen Ansicht nach sind das biologische Kategorien, die uns bei Pflanzen und Tieren vermutlich helfen sie zu ordnen und zu verstehen meist in Bezug auf ihre Fortpflanzung und mit dieser verbundene Phänomene (möglicherweise ohne dass sie tatsächlich so gerechtfertigt wären).
Wenn es um uns selbst geht, sind wir biologisch Teil der Gruppe der Trockennasenprimaten, der Familie der Menschenaffen, gewissermaßen "menschliche Tiere", und insofern ist es nachvollziehbarm dass wir diese biologischen Kategorien auch auf uns selbst anzuwenden versuchen.
Aber Menschsein, meine ich, ist nur marginal, nur vom Ursprung her, eine biologische Kategorie. Vor allen Dingen ist Menschsein eine geistige Kategorie, die sich durch Verstand und Vernunft ausdrückt, und abhängig von den soziokulturellen Bedingungen und der damit verbundenen Möglichkeiten der Lebenserfahrung kann und wird Menschsein wohl dasjenige sein, wie sich ein Individuum gleichwohl wie eine Gesellschaft von biologischen Vorgaben, Stereotypen, Rollenerwartungen und Normativen löst und sich als Mensch bzw. Menschengruppe neu und eigenständig definiert.
In diesem Prozess hatten wir in unseren "westlich-industrialisierten" Breitengraden kürzlich den Punkt der sexuellen Orientierung im Fokus und wohl mehr oder weniger überwunden; derzeit sind wir am Punkt des vermeintlich biologisch festgelegten Geschlechts/Genders, bei dem wir hier augenscheinlich Schwierigkeiten haben ihn zu überwinden. Die Vorstellung, dass Ethnie uns in irgendeiner Weise festlegt, dürfte auch _eigentlich_ überwunden sein - Abweichungen davon würde die große Mehrheit von uns ganz klar als problematisch empfinden; Mononormativität ist in dieser Gruppe sowieso überwunden.
Es ist schon sehr spät, meine Ausführungen jetzt hier kommen mir zu diffus vor und ich wollte sie eigentlich nicht abschicken...
Historisch/archäologisch hat sich irgendwann das Patriarchat durchgesetzt und etabliert und in diesem Zusammenhang Rollenbilder und Stereotypen entwickelt um es stabil zu halten. Wahrscheinlich sind viele dieser Rollenbilder und Stereotypen nicht oder zumindest ursprünglich nicht bewusst aus Verstand und Vernunft entstanden, sondern in der Entwicklung von Kultur aus vermeintlichen oder echten biologischen Anfangsbedingungen, Hormonhaushalt, Fortpflanzungsbedingungen unter größerem Überlebensdruck uvm., von noch wenig entwickelten Verstand und Vernunft missverstanden und fehlinterpretiert und im weiteren Verlauf so verkehrt tradiert und gelegentlich zum Patriarchat- und Machterhalt auch bewusst manipuliert.
So sehr ich Aristoteles für seinen brillanten Verstand in vielen Aspekten verehre, so sehr gehe ich hart ins Gericht mit ihm, als er feststellte, dass Männer körperlich und geistig wohlgeformt, Frauen dagegen beschränkt und einfältig seien und nicht begriff, dass dies allein dem Umstand zu verdanken ist, dass nur Jungen körperliche und geistige Förderung zuteil wurde, so dass sie oft athletisch attraktiv und geistig versiert wahrgenommen wurden, während Mädchen dies explizit verwehrt wurde.
U.a. Aristoteles' Einschätzung schlug sich nieder in den philosophischen Ausführungen der Kirchenväter, die die Architektur des Christentums ausloteten und dazu beitrugen, dass über die institutionalisierte Weltanschauung der christlichen Kirche(n) sich diese Einschätzung nahezu unverwüstlich bis heute hält und sich u.a. in struktureller Benachteiligung äußert.
Die (katholische) Kirche glaubt bis heute, dass der Mann der Abglanz Gottes, die Frau aber der Abglanz des Mannes sei.
Wenngleich außerhalb des Vatikans in Europa kaum mehr eine Mehrheit zu finden ist, die dies ernsthaft glaubt, so ist es doch wohl auch dem Jahrtausende andauernden Einfluss der Kirche zu verdanken, dass bei "Mensch" die allerallermeisten Menschen hier sich eine männliche Person vorstellen und dass Piktogramme zum Menschen, so genannte "Strichmännchen", als männlich gelesen werden, zu denen es weibliche mit Zöpfen oder angedeutetem Rock gibt, dass also das Männliche das Normale, das Ursprüngliche ist, zu welchem das Weibliche das Andere, Fremde ist.
Schauen wir allerdings naturwissenschaftlich auf die Geschlechter, und hierbei z.B. auf die Chromosomen, müssen wir feststellen, dass angesichts des paarweisen Vorhandenseins jedes Chromosoms und angesichts des Umstandes, dass das Y-Chromosom infolge einer Mutation eines X-Chromosoms als verkümmertes Rest-X übrig geblieben ist, alles sehr deutlich dafür spricht, dass das Weibliche das Normale, das Ursprüngliche ist, zu welchem das Männliche das Andere, Fremde ist, wenn überhaupt.
Und man glaubte auch lange, dass weibliche Genitalia Derivate der männlichen sei, eine Klitoris ein verkümmerter Penis usw. Teile der Naturwissenschaft sind heute allerdings der Ansicht, dass ein Fötus im Grunde aller binärgeschlechtlicher Arten, der keine hormonelle Geschlechtsprägung erfährt, vom Aussehen her dennoch dem weiblichen Typ entspricht, wenngleich er dann fortpflanzungsunfähig ist.
Zudem würde ich noch sagen, dass die Ausgangssituation, einen höheren Testosteronspiegel zu haben (also männlich im biologischen Sinn zu sein), die deutlich größere Disposition zur emotionalen Instabilität und zur Grenzüberschreitung mit sich bringt. Als Menschen als geistige Wesen sind wir in der Lage, diese Dispositionen gut, sogar sehr gut in den Griff zu bekommen, je mehr wir unsere Biologie kultivieren. Dennoch deuten ja viele "biologisch-geschlechtsspezifische" Probleme so etwas an."

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