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Kynosarges 2508

6. auf den 7. April war der letzte Eintrag. 
Jene Nacht war ich selbst Couchsurfer bei derjenigen Person, die ich für den 15. bei mir erwartete, um meine Rückfahrt von meiner Mutter zu mir aufzuteilen und um sich gegenseitig kennenzulernen, da ich am 15. berufsbedingt nicht anwesend war. 
Heute ist der 30. April, die Nacht zum 1. Mai, also sind 24 Tage aufzuholen. 
Von meinem Langzeitgast kassierte ich am 7. noch nicht den Schlüssel. Nach meiner Reise und angesichts einer folgenden Doppelschicht ließ ich es vorerst bei einer Anmahnung, den Keller zu verlassen, und bereitete mich lieber für die Arbeit vor. Die Doppelschicht vom 8. auf  den 10. verlief gut, aber in meiner Abwesenheit sorgte mein Langzeitgast erneut für Ärger mit den Nachbarn, denn am 9. hatte er wieder einmal den Schlüssel drin vergessen, als er raus gegangen war. Ich hatte zwar meine Nachbarn gebeten, ihn nicht hineinzulassen, da aber die Tür nicht richtig geschlossen war, kam er doch wieder hineingeschlichen. 
Am 10. endlich kassierte ich meinen Schlüssel ein und setzte meinen Langzeitgast auf die Straße. Somit war er obdachlos. Inzwischen hat er eine Aussicht auf eine offizielle Notunterkunft, so genau weiß ich es allerdings nicht, und so wirklich interessiert es mich auch nicht, wenn ich ehrlich bin. Seine Sachen stehen noch in meiner Wohnung, gelegentlich, zwei-, dreimal, kam er nach abgesprochenem Termin vorbei, um etwas von seinen Sachen zu holen oder zu tauschen, oft verbunden mit Ärgernis. Bereits am 10. abends, als ich ihn aufforderte, seine Sachen aus dem Keller zu entfernen, kam er nachts über eine Stunde verspätet, so dass ich seine Sachen schließlich selbst zusammenpackte und mit ihnen auf der Straße auf ihn wartete, nur damit er sie dann in meiner Wohnung bei den anderen Sachen abstellte. 
Tags darauf am Freitag war ich wieder arbeiten und hatte dann von Samstag auf Montag zu Beginn der Osterferien mein Kind bei mir. Wir waren Sonntag mit dem Longboard in der Stadt und mit den Inlinern im Skatepark unterwegs und Montag in einem anderen Schwimmbad, in dem mein Kind, kürzlich erst Seepferdchen bestanden, schon munter mehrmals vom 1m- und 3m-Brett ins Wasser sprang. 
Dienstag, inzwischen 15. April, war ich wieder arbeiten. Irgendeine Person wohl aus dem Bekanntenkreis meines Langzeitgastes hatte sich in den Keller geschlichen, meinte mein Nachbar, einigermaßen aufgebracht und mir die Verantwortung dafür zuschiebend. Abends kam wie vereinbart in meiner Abwesenheit ein neuer Übernachtungsgast für eine Nacht. Weil beide Ereignisse wenige Stunden hintereinander und während ich nicht dort war geschahen, war ich einigermaßen in Sorge, ob mit meinem Gast alles klappte und es weder zu Verwechslungen noch zu Komplikationen kommen würde. Schließlich lief es aber von Gastseite reibungslos.
Schon seit einigen Tagen hatte ich versucht, meine Nachbarn im Haus alle darauf einzustellen, für einige Tage konsequent die Haustür abzuschließen. Leider klappte dies nicht immer, also ging ich regelmäßig auf Eindringling-Suche, bis zum heutigen Tag.
Allerdings war ich ja mehrere Tage gar nicht da, denn am 16. wollte ich am frühen Nachmittag zu meiner Mutter aufbrechen, um am Folgetag mit ihr nach Luxemburg zu reisen. Allerdings kam mir kurz vor meiner Abreise mein Langzeitgast noch einmal in die Quere. Eigentlich wollte er wieder nur etwas von seinen Sachen holen und tauschen, dann bat er, doch auch flink für 2 Minuten duschen zu dürfen, was ich zwar verneinte, was er aber, auf Toilette im Bad eingeschlossen, dennoch tat, und aus 2 Minuten schnell 10 Minuten werden ließ. Weil meine Zugabfahrt inzwischen gefährdet war, prügelte ich ihn gewissermaßen aus dem Bad und aus der Wohnung heraus, während er, nur mit einem Handtuch herumgebunden, schnell noch seine Sachen zusammenraffte. Als er draußen im Treppenhaus und ich nach Verschließen meiner Wohnungstür im Laufschritt auf dem Weg zum Zug war, rief mich mein hinzugetretener Nachbar an: Mein Langzeitgast hatte Handy und Geldbörse in der Eile in meiner Wohnung vergessen. Mir war dies in diesem Moment sehr egal, ich fand sogar, ihm geschah dies recht angesichts seiner Frechheiten. Ich erreichte nachts meine Mutter und am nächsten Tag fuhren wir los. 
Unser Ziel für die Übernachtung in Luxemburg war Esch sur Alzette, aber auf dem Weg dorthin machten wir einen kleinen Zwischenstopp in Saarbrücken, um dort die historische Innenstadt und das Schloss zu besichtigen - letzteres wirkte allerdings wenig interessant. Esch selbst wirkte eher wie eine Industriestadt mit sozialem Brennpunkt, wohingegen die Stadt Luxembourg, wenn auch nur popeliger Großherzogsitz, doch einiges an historischer Schönheit bewahren konnte. Den Nachmittag nach dem Besuch in Luxemburg-Stadt verbrachten wir noch mit einer Tour durch das Land zur "Schweiz von Luxemburg" und zu verschiedenen Burgen. Am nächsten Tag auf dem Weg nach Köln besichtigten wir das Moseltal an der Grenze zu Deutschland, die Saarschleife und Trier. Ostersonntag verbrachten wir mit meinem Kind dem Rest seiner Familie in einem Café, Ostermontag in einem botanischen Garten und in einigen romanischen Kirchen in Köln wie auch im Dom. 
Dienstag, inzwischen der 22. April, fuhren meine Mutter, mein Kind und ich nach Belgien. Wir verbrachten zwei Tage in Brüssel, einer eher konfusen Stadt, unentschlossen zwischen modern und mittelalterlich wild durcheinander und leider nur wenig barrierefrei. Neben schrecklich überbewerteten Albernheiten wie Manneken Pis, dem Schloss und dem "Groote Markt" konnten wir immerhin sehr interessant die Geschichte der Schokolade von einem wenig bekömmlichen aztekischen Ritualgetränk, ausgebeutet von Habsburg-Spanien wegen besserer Passatwinde in deren niederländische Provinzen geliefert sich dort zu einem süßen Lustgetränk der Oberschicht entwickelnd und wie es von dort aus die Agrikultur viele Länder des globalen Südens eroberte, die allerdings nur einen Bruchteil des Profits mit Schokolade abbekamen. Nach einem halbwegs interessanten Besuch im Atomium, eigentlich eine weitere Brüsseler Albernheit, und einem nur wenig lohnenden Zwischenstopp in Gent kamen wir Donnerstag nach Brügge. Das dort zuvor reservierte Hotel konnte nicht unseren Wünschen nach Barrierefreiheit entsprechen, also zogen wir um in eine sehr minimalistisch angelegte Jugendherberge im Norden Brügges. Nach diesem Dämpfer entwickelte sich der Besuch Brügges, für den wir drei Übernachtungen angesetzt hatten, zum eigentlichen Highlight der Belgienreise, und ich kann hier getrost sagen, wer vorhat, Belgien zu besuchen: Brüssel, Gent, Antwerpen sind durchaus verzichtbar, solange man sich nur ausführlich Brügge widmet. Die Stadtverwaltung versteht es, die Innenstadt in einem harmonisch hübschen Einklang zu halten. Die Boote auf den innerstädtischen Kanälen sind zwar alle nicht barrierefrei, ein größeres Boot auf dem Kanal nach Damme, der Geburtsstadt Eulenspiegels, wenn man die Belgier fragt, hingegen erfüllte die Bedingungen. Auf der Rückfahrt am Sonntag machten wir einen kurzen Zwischenstopp in Antwerpen, wenig lohnenswert, und dann am Nachmittag in Köln, um seit längerer Zeit eine andere Schwester von mir wiederzusehen. Abends brachten wir mein Kind zu seiner Mutter, danach fuhr meine Mutter zu sich und ich zu mir nach Hause - das war unser Osterurlaub. Vor allem die meisten Situationen mit meinem Kind waren erfüllend für mich, während die mit meiner Mutter durchaus auch anstrengend sein konnten. 
Mit Freude verfolgte ich, wie mein Kind während dieser 5 Tage beinahe drei Bücher las, und auch nicht zu kleine, während ich vorher manchmal annehmen musste, dass mein Kind eher Lesemuffel ist. Ich selbst hingegen hatte drei Bücher dabei und las nur eines zur Hälfte, das ich in Saarbrücken in einem Bücherschrank gefunden hatte. Es handelt davon, wie Cortes mit seinen Soldaten das Aztekenreich eroberte, allerdings im Stil eines Abenteuerromans geschrieben. Das Thema betrachtete ich seit Schulzeiten kritisch als Verbrechen an den Völkern Lateinamerikas genauso wie das Gemetzel Pizarros, lediglich eine "Innenansicht" der Zeit aus dem Leben einiger Menschen, die zum Ausklingen des Mittelalters geboren wurden, weckte ein gewisses, dennoch nur geringes Interesse daran. Als Abenteuerroman konnte es dieses Interesse aber ohnehin gar nicht richtig bedienen. Dennoch erfuhr ich einige interessante Details aus den verschiedenen Kulturen, die dort aufeinanderprallten, wie auch zu ihrer jeweiligen Weltsicht. 
Am Montag ging es direkt mit der Arbeit weiter. Das Buch hatte ich dabei und las ein weiteres Kapitel. Darin stolperte ich über einen Punkt, der mich anregte, hier darüber zu schreiben. Ich hatte es längst nicht mehr im Bewusstsein, nur ganz ganz dunkel erinnerte ich mich daran, dass dies in der Schule gestreift wurde, nämlich dass Cortes, als er in Yucatan landete mit etwa 400 Soldaten, ihre Schiffe zerstören und versenken ließ, damit von vornherein ausgeschlossen war, dass er oder einer seiner Männer auf die Idee kam, sich diesem aus heutiger Sicht unbedingt grausamem Abenteuer, der Eroberung des Aztekenreichs, zu entziehen. Mir kam der Gedanke, dass ich vielleicht so etwas ähnliches brauche, eine Situation, in der ich die Zelte abbreche, die Rückkehr in meine Komfortzone unmöglich mache, damit ich endlich in Bewegung komme. Ich muss ja nicht gleich ganze Kontinente erobern und Weltreiche stürzen, aber ich habe ja trotzdem abenteuerliche Projekte vor, komme aber nicht ins Tun. Und aus den Tagesnachrichten verfolgte ich, dass in Hannover ein evangelischer Kirchentag mit dem Motto "mutig, stark, beherzt" stattfindet; zum Tun braucht es Mut, der fehlt mir wohl in einigen Situationen - in anderen hingegen bin ich manchmal fast zu sehr risikobereit.
Dienstag, 29. April nach der Arbeit kam mein ehemaliger Langzeitgast erneut, um Sachen zu tauschen - alles weitere verweigerte ich ihm. Abends ging ich Sandwiches verteilen. Gleichzeitig war ich die Tage mit einigen Anschaffungen befasst: Sonntag direkt nach der Rückkehr von unserer Reise schaute ich mir einen Außenbordmotor an, konnte ihn aber noch nicht gleich mitnehmen, Dienstag nach der Arbeit bekam ich altes Zeltmaterial für meine Proa, Mittwoch auf Donnerstag, in den 1. Mai hinein, war ich wieder arbeiten und begann mit diesem Blogeintrag, Donnerstag nach der Arbeit fuhr ich direkt nach Niederbayern, um dort einen Kombi mit der Option, Microcamper zu werden, anzuschauen, zu kaufen und nachts noch zu mir zu fahren, um damit heute, inzwischen Freitag, 2. Mai, den Außenbordmotor abzuholen. 
Eine weitere Anregung zu schreiben ergab sich dieser Tage auch noch aus einer Konversation mit jenem mitlesenden Freund, den ich bereits einige Male erwähnt hatte, doch dazu gleich mehr, denn mit einer Beobachtung aus den letzten Minuten möchte ich einsteigen: Soeben - ich sitze in der untergehenden Abendsonne am Busbahnhof - kommt ein Mann an mir vorbei, augenscheinlich obdachlos, und fragt nach Kleingeld, welches ich allerdings schon seit Monaten kaum, nur sporadisch mal bei mir trage und ihn deswegen abweise. Ich sehe ihn schon seit Jahren in der Stadt, inzwischen hat er so schlimme Füße, dass er keine Schuhe mehr tragen kann; aber auch viele andere Obdachlose sehe ich schon seit Jahren in der Stadt, und ich frage mich, ob es entweder so schwer bis unmöglich für sie ist, ihre Situation nachhaltig zu ändern, oder ob sie dies schlichtweg nicht wollen, sich mit ihrer Situation und deren vermeintlicher Unveränderbarkeit abgefunden haben? Es gibt ja durchaus einiges an Hilfsangeboten, Sozialarbeitern, Infrastruktur und Budget, das man "nur" ergreifen und nutzen muss... Klar, jemand anders wird wohl auch meine Unfähigkeit, meine Projekte zielführend anzupacken und umzusetzen, für wenig nachvollziehbar halten. Vielleicht können wir uns oft viel zu wenig vorstellen, wie es für andere Leute ist, diese andere Leute zu sein, ich meine aus deren Innenperspektive. Der Philosoph Thomas Nagel schrieb ein ganzes Buch "How is it like to be a bat" mit der Aussage, sinngemäß, dass genauso, wie wir uns nicht vorstellen können, wie es ist, eine Fledermaus zu sein - dass wir uns unsere Umgebung per Echoortung in schnellem Flug sicher erschließen, ist zwar herausfordernd als Vorstellung, aber vielleicht nicht unmöglich - sondern maximal, wie wir im Körper einer Fledermaus wären, wir selbst, aber nicht die Fledermaus selbst, wir uns auch nur vorstellen können, wie es wäre, wenn wir im Körper bzw. in der Situation einer anderen Person wären, aber nicht, wie es für diese andere Person ist. 
Mit diesem Freund jedenfalls gab es in den letzten Tagen etwas Austausch im weiteren Sinn zu meiner Proa, zB zu einer Antriebsmöglichkeit über Seile und Rollen, zu Algenreaktoren, und dann viel ausführlicher zum Thema Bildung. Ja, ich muss dabei auch an das Schopenhauer-Zitat im Nachsatz des letzten Eintrags denken. Bildung ist wohl wie so vieles andere auch besser mit Vorsicht zu genießen. Ich hatte gelegentlich, teils unabhängig davon, teils im Zusammenhang mit der Velo-Proa, den Atoll-Oasen usw. schon überlegt, ich würde gerne eine Art Kooperations-Netzwerk ins Leben rufen (oder diversen existierenden beitreten), das einerseits von einer freien, spirituellen Idee getragen ist und andererseits sich intensiver Kooperation widmet und daher im weitesten Sinn vielleicht einer (post-)modernen Version eines klösterlichen Mönchordens ähneln kann. Die kynische Schule von Athen, Franziskaner, Freimaurer, Vereine oder auch simpel ein Unternehmen oder gar eine Partei kommen mir da als Kooperationssysteme in den Sinn, nur dann eher anarchistisch und auf friedliches Wohlergehen allen Lebens ausgerichtet. Ich denke, dass für eine solche Kooperation gut wäre, sich vom vorherrschenden kapitalistischen System loszulösen und Autonomie zu erreichen in Ressourcen, Energie und Wissen. 
Er zeigte große Übereinstimmung und erzählte von einer Einrichtung, Unternehmen, Initiative in seiner Region, die viel von solchen Ansätzen verfolgt, und mir fiel ein, in meiner Stadt gibt es auch einen Verein, der solches versucht, im Prinzip eine Art alternatives Zentrum betreibt, und mit dem ich ja Kontakt aufnehmen, ihm beitreten kann, um einerseits mich solch bereits existierenden Ansätze anzuschließen, aber auch, um Menschen zu finden, die sich meinen anschließen wollen, vielleicht, indem ich sie innerhalb des Vereins realisiere. Das war noch während der Osterferien.
Vergangenen Sonntag Abend dann, auf der Rückfahrt mit dem Bus von der Außenbordmotor-Besichtigung, geschah das mit der anderen Schreib-Anregung, was ich in den Dialog mit ihm einfließen ließ: An einer Haltestelle nahe einer Sporthalle stiegen mehrere, etwa zehn, Jugendliche mit Migrationshintergrund ein, wahrscheinlich hatten sie ein Sporttraining. 
Am Nachmittag hatte ich während des Café-Treffens eine Diskussion mit meiner Schwester und meiner Mutter u.a. über "die", gemeint Flüchtlinge und Migranten, die "einfach hierherkommen, um ein schönes Leben zu haben, ohne etwas dafür beizusteuern". Zunächst verwehrte ich mich dagegen, durch ein undifferenziertes Othering irgendwelche individuellen Schicksale in einen Topf zu werfen und des Weiteren über Menschen zu sprechen als mache ihre vermeintliche Andersartigkeit sie automatisch minderwertig. Immerhin konnten wir uns letztlich darauf einigen, dass manche Missverständnisse bis Probleme wohl einem Bildungsdefizit geschuldet seien und dass man Menschen für vermeintlich niedrige Bildung nicht selbstverantwortlich zeichnen kann, denn ähnlich wie beim Dunning-Kruger-Effekt fehlt einem gering gebildeten Menschen möglicherweise die Fähigkeit, zu begreifen, was ihm tatsächlich fehlt. Bildung sei meiner Ansicht nach also eine Bringschuld derjenigen, die bereits über eine gewisse Bildung und dementsprechend auch das Verständnis verfügen, wie gut und wichtig Bildung für alle ist, denn die schon Gebildeten gewinnen ja daran, wenn andere Teile der Gesellschaft ebenfalls gebildet sind, mindestens in dem Sinne, dass sie die rechtsstaatliche Grundordnung und ihre eigenen Pflichten dieser gegenüber zu begreifen und wertzuschätzen lernen. Wer sich also beschwert, dass Menschen einem quasi-natürlichen Instinkt folgen und dorthin gehen, "wo es warm rauskommt" und nicht gleichzeitig Sorge dafür tragen, dass es auch weiterhin für alle dort "warm rauskommen" kann, wer also das System durchblickt und sich beschwert, dass andere es nicht durchblicken, steht möglicherweise in der Verantwortung, dafür zu sorgen, dass andere es auch durchblicken können. Denn auch wenn sich Bildung allein schon durch tägliche Erfahrungen bereits naturgemäß von selbst einstellt, kann dies möglicherweise für komplexere soziale Strukturen nicht vorausgesetzt werden insbesondere dann, wenn man auf andere, "fremde" kulturelle und soziale Prägungen im früheren Leben zurückblickt.
Außerdem versuchte ich einen Punkt zu machen indem ich darstellte, wie inzwischen seit wohl drei Generationen Menschen mit anderer kultureller fest unter uns leben und dennoch nicht als hier zugehörig betrachtet werden. Dem Vorwurf, "die" wollen sich ja gar nicht integrieren, erwiderte ich, dass das Problem bei uns selbst liegt, denn "die" haben normalerweise eine Kultur großer Gastfreundschaft und sozialer Wärme, während wir keine Willkommenskultur besitzen und oft sogar eigene Landsleute Abweisung und Kälte spüren lassen. Seit drei Generationen sind zB Menschen mit kulturellem Hintergrund aus der Türkei bei uns - aber wer von uns kann auch nur eine türkische Gruß- oder Dankesformel vorbringen, kennt türkische Kinderlieder, Feiertage, Mahlzeiten abseits von Döner? Es ist dieses Desinteresse unsererseits, was diese gastfreundlichen, sozialen Menschen zurückwirft und sie dazu bringt, sich vor allem nur noch untereinander in so genannten Parallelgesellschaften zu gruppieren. 
Langer Rede kurzer Sinn: Als ich diesen Jugendlichen begegnete und meinen internalisierten Rassismus und weiteres Othering zumindest einigermaßen beiseite schieben konnte, dachte ich, wenn ich mein vorher gesagtes ernst meine, sollte ich doch auf diese Menschen, und damit meine ich im allgemeinen marginalisierte Menschen, zugehen, Interesse zeigen und sie zB in meine Projekte integrieren.
Ich dachte so noch nicht zum ersten Mal. Öfter schon dachte ich, dass ich Projekte starten möchte, mit kleinen, leichten Tätigkeiten und Aussicht auf einen gewissen Verdienst, die zB Obdachlose oder Migrant:innen, vielleicht sogar Menschen mit Behinderung oder Langzeitarbeitslose, so genannte schwer Erziehbare uvm. in sinnstiftende, individuell leistbare Aufgaben und Produktivität führen können. Ich dachte da an haushaltsnahe Dienstleistungen wie Rasen mähen, Laub rechen, oder sogar direkt an meiner Proa bauen oder so, möglichst sogar öffentlich wahrnehmbar zB auf dem Marktplatz oder so. Da fällt mir gerade ein, eine bekannte Obdachlose in Bonn macht offiziell im Namen der Stadt gelegentlich Stadtführungen für Touristen - sowas anzuleiern könnte ich mir auch vorstellen. Und gerade bei Obdachlosen könnte man auch gut Hilfe zur Selbsthilfe organisieren, untereinander, wobei das ohnehin wohl längst schon läuft - aber von außen, mit "Bildung", Connections und Ressourcen könnte man das wohl noch verbessern. Wahrscheinlich machen Sozialarbeiter:innen sowas schon, und wahrscheinlich stelle ich es mir naiverweise zu leicht vor. Immerhin hatte ich fast ein halbes Jahr einen Menschen bei mir, der viel meiner Ressourcen, Zeit, Aufmerksamkeit und sogar Wohnraum in Anspruch nahm, der auch nicht defizitär gebildet war und der dennoch, meiner Interpretation nach, nicht auf die Beine kam, eher sogar im Gegenteil. Inzwischen ist er wohl komplett obdachlos.
Was hier mir selbst im Weg steht, steht wohl auch ihm im Weg: Mangelnder Fokus auf das Richtige und Notwendige bei zu großer Ablenkung und dazu zu große Antriebsschwäche.
Ich war leider noch nicht bei dem genannten Verein, außerdem zieht sich dieser Blogeintrag inzwischen bis zum 3. Mai, Samstag, während ich auf dem Weg bin zu einer 40h-Schicht für das ganze Wochenende. So weit reicht manchmal meine Antriebsschwäche. Gleichzeitig träume ich davon, wenn ich gute Musik höre, gute Musik in großer Anzahl zu produzieren, oder wenn ich ein gutes Buch lese, gute Bücher in großer Anzahl zu schreiben usw. Auch das ist wohl eine Art Dunning-Kruger-Effekt, absolute Selbstüberschätzung in der Vorstellung bei minimalsten oder ganz fehlenden Ergebnissen in der Wirklichkeit.
Zurück zum Dialog über Bildung:
Er stolperte über den Halbsatz, dass man Bildung auch aus Eigennutz bringen könnte, und wünschte sich, dass man dies besser uneigennützig aus Liebe zum Mitmenschen tun solle. Außerdem merkte er an, dass Bildung auch eine Holschuld sein kann, dass ein Bildungsdefizit sowohl durch Unwissenheit als auch durch Ignoranz bestehen kann und gab noch das Prinzip des "guten Königs" mit in die Diskussion. Unterwegs im Zug zum Auto, konnte ich eine Salve an Antworten abfeuern: 
- Bildung: Bringschuld/Holschuld:
Der Mensch ist von sich aus biologisch, zB sein Gehirn, darauf ausgelegt, aus Erfahrung und Nachahmung "zu lernen", also sich so einzurichten, dass man möglichst konfliktarm in seiner Umgebung zurechtkommt. Dafür braucht man keine Schule, keinen Lehrer usw., wobei Vorbilder zur Nachahmung unbedingt hilfreich sind. Allerdings gibt es gewisse Kulturtechniken, die wir als Gesellschaft über Jahrhunderte und Jahrtausende entwickelt haben, manche davon sind sicherlich fragwürdig, dennoch existieren sie und scheinen für unser Zusammenleben wichtig zu sein, die sich nicht aus der natürlichen Erfahrung ergeben, sondern für die es einer erzieherischen Einführung bedarf.
Ab einem gewissen geistigen Level sollte Bildung eindeutig eine Holschuld sein. Davor allerdings wird ohne gebrachte Bildung dieses Level nicht zwangsläufig erreicht. Man wird "von selbst" "(über-)lebenstüchtig", aber "geistig frei", also dass man kritisch denken, abstrahieren, reflektieren und hinterfragen kann, das kommt möglicherweise erst durch kulturell tradierte Bildung. Allerdings weiß ich dies nicht so genau, könnte mich also auch irren. Und Schopenhauer klopft auch hier wieder an...
- Egoismus/Eigeninteresse:
Das war tatsächlich nicht leichtfertig dahingesagt, sondern Absicht. Für mein Studium möchte ich versuchen, einen solchen Ansatz auszuarbeiten. Vorerst kann ich aus sowas wie einem Exposé hier zitieren: "Egoismus und Altruismus lassen sich möglicherweise auf eine Weise in Einklang bringen, dass sie sich nicht nur ergänzen, sondern womöglich eins werden. Ich stelle mir vor, dass man eine Egoismustheorie z.B. an der Maslowschen Bedürfnispyramide entwickeln kann, in der das Interesse an Reichtum in materiellen Gütern noch eine recht niedrige Stufe einnimmt, dagegen die persönliche Selbstentfaltung und Selbstverwirklichung eine höhere. Außerdem wollte ich die Stufen der Ich-Entwicklung nach Jane Loevinger einbeziehen und den Egoismus auf die größtmögliche Stufe richten. Hierüber, meine ich, könne man zeigen, dass der Egoismus höherer Stufen nicht umhin kommt, die Interessen anderer mit einzubeziehen für das Erreichen höherer Stufen des persönlichen Glücks. Dieses Annähern und in höchster Stufe schließlich Zusammenfallen von Egoismus und Altruismus wollte ich transzendentalen Egoismus nennen." Ich halte Egoismus, Eigeninteresse, für einen nicht vernachlässigbaren Handlungsmotivator. Wenn ich verstehe, dass ich persönlich davon profitiere, wenn ich von zufriedenen, glücklichen, geistig regsamen und sich selbst verwirklichenden Menschen umgeben bin, könnte ich ja daraus ableiten, dass es sich für mich lohnt, mich für das Wohlergehen anderer aktiv einzusetzen. So etwa meine ich das.
Dieses zu verstehen erfordert allerdings wohl Bildung, die von denjenigen, die es bereits verstanden haben, denen gebracht werden muss, die es noch nicht verstehen.
Weiterhin unterwegs im Zug beobachtete ich eine Familie mit mindestens einem hörbehinderten Mitglied, anwesend ist auch ein Kind von etwa drei oder vier Jahren, aus seiner Kommunikation mit seiner möglicherweise Großmutter glaube ich zu erkennen, dass die beiden über akustische Sprache kommunizieren können - dann wäre das hörbehinderte Mitglied wohl nur die vermutete Mutter und möglicherweise eine weitere Person per Videotelefonie. Ich fand es faszinierend, auch im Zusammenhang mit dem bisherigen Austausch über Gehirn und Lernen, wie dieses dreijährige Kind flüssig und kindlich und wohl mit der Intention Lustiges zu verkünden in Gebärdensprache kommuniziert. Meine bisherige, zugegeben naive Vorstellung war, dass Gebärdensprache erst ab einem höheren Alter und dann wohl vor allem über das Bewusstsein gelernt werden kann, aber offensichtlich geht es auch unbewusst. Oh, und ein Säugling ist auch noch dabei, wie ich dann sah, der wird es wohl auch sprichwörtlich mit der Muttermilch ganz natürlich und selbstverständlich lernen. Mehr oder weniger bereits in der Mitte meines Lebens glaube ich nun, selbst in unseren Breitengraden, in unserer Kultur vieles Grundsätzliche noch nicht gesehen und verstanden zu haben und freue mich auf viele weitere Überraschungen. Doch zurück zur Salve:
- Bildung wichtig für Gesellschaftsgefüge:
Um eine Gesellschaft aufrecht zu erhalten, genügt wohl auch Gewalt, Angst und Schrecken oder Religion oder sonst eine Ideologie, die nicht zwangsläufig Verstand benötigt, sondern nur geglaubt zu werden braucht. 
Ich denke vor allem an eine "gute" anarchistische Gesellschaft, in der alle Mitglieder moralische Grundregeln begreifen und sie willentlich einhalten wollen ohne dazu gezwungen werden zu müssen. Ich bin mir da nicht endgültig sicher, meine aber, dass eine solche möglicherweise nur nach entsprechender Bildung und Pflege erreicht und erhalten werden kann.
Demokratie zB - und ich sehe durchaus, dass man sich streiten kann, ob das, was wir derzeit als Demokratie praktizieren, als solche verstanden werden kann oder überhaupt gut für uns ist; nehmen wir für das Beispiel einfach eine gute an - Demokratie stellt sich nicht von alleine ein und erhält sich auch nicht von alleine. Sie braucht Regeln, die sich die Gesellschaft im Sinne des Gemeinwohls gibt, was Verstand, Empathie und Solidarität, wahrscheinlich kurz: Liebe, voraussetzt.
Möglicherweise ist es mit solcher Liebe schlecht bestellt in Zeiten von Not in den unteren Bereichen der Bedürfnispyramide: ein hungriger Magen interessiert sich wenig für Moral. Als wir noch Jäger und Sammler waren, noch nicht an der Spitze der Nahrungskette, bestimmte "nicht hungern" und "nicht gefressen werden" unser tägliches Leben. Gab es da schon Liebe? Vielleicht, wahrscheinlich aber nicht allgemein und wahrscheinlich nicht automatisch. Möglicherweise verhielt man sich gewissermaßen aus Naturinstinkt solidarisch demgegenüber, von dem man glaubte, dass dessen Kooperation dem eigenen Überleben nützte. Und wahrscheinlich begehrte man liebevoll auch potentielle und tatsächliche Fortpflanzungspartner im Lichte der Fortpflanzung und Brutpflege. 
Aber gab es bewusste Agape, oder unbewusste, falls die möglich ist?
Was wir für Zivilisation halten, heute, ist oft nur eine dünne Firnis über vielen unbewussten Beweggründen, die sich dann deutlicher zeigen, wenn es um unser Überleben, um Macht usw. geht. Und ich glaube, das betrifft nicht nur wenige "schlechte" Menschen, sondern zu einem gewissen Grad tatsächlich uns alle.
Immerhin hilft uns die Selbstgerechtigkeit, es bei uns selbst nicht immer so deutlich zu sehen. 
- geistige Reife/Alter wegen Bildung als Bringschuld oder Holschuld:
Ich glaube, dass man das nur wenig an einem bestimmten Alter festmachen kann. Die Wissenschaftler Dunning und Kruger, nach denen der bekannte Effekt benannt ist, haben Bildung bzw. Wissen in bestimmten Wissensgebieten betrachtet und festgestellt, wie wahrscheinlich bekannt, dass man mit einem noch recht kleinen Anteil an Wissen in einem Bereich glaubt, viel über den Bereich zu wissen. Wenn das Wissen sich etwas vermehrt, stürzt man zunächst steil ab und glaubt, noch fast gar nichts zu wissen, weil man begreift, was man alles nicht weiß. Frühestens ab hier, spätestens aber, wenn man in der Wissenskurve nun langsam wieder aufsteigt, kann man wohl sagen, dass Bildung im Sinne von Wissensmehrung (denn auch Pflege von Gewohnheiten durch wiederholte Anwendung würde ich als Bildung bezeichnen) zu einer Holschuld wird, vielleicht auch nicht schlagartig, sondern fließend. Wahrscheinlich ist es aber bei der tätigen Bildung ganz ähnlich: Möglicherweise glaubt ein Maurerlehrling bei seiner ersten Mauer, die nicht einstürzt, er sei ein Meister, und begreift/erspürt erst nach und nach, dass Meisterlichkeit ein langer, vielleicht unendlicher Weg ist.
Mindestens allerdings, um aus dem so genannten Dunning-Kruger-Effekt herauszukommen, ist man wohl auf fremde Hilfe angewiesen. Und wahrscheinlich gilt das für ausnahmslos alle Menschen. 
- "Holschuld wird von sich aus erkannt und wird zum Selbstläufer" (sinngemäß):
Ja und nein.
Wir Menschen sind in erster Linie bequem. Wenn wir ein Bildungs- und auch sonstiges Level erreichen, von dem wir glauben, dass wir uns darauf ausruhen können, dass wir also über einen für uns selbst und unsere Ziele ausreichenden Status verfügen, mindestens aber, wenn der Überlebensdruck uns nicht (mehr) bedrängt, würden viele von uns dann aufhören weiter zu streben. Dies sind auch meine Haupt-Bedenken gegen ein bedingungsloses Grundeinkommen: Viele Menschen, insbesondere, wenn sie noch im Bereich des Dunning-Kruger-Effekts sind, würden Weiterbildung als zu anstrengend eher meiden. Schon wenige Jahre nach Schulabschluss sind viele Erwachsene nicht mehr in der Lage, schriftlich zu dividieren, Dreisatz anzuwenden, geschweige denn Analysis zu bearbeiten, und ähnlich ist es mit Aufsätzen, Erörterungen usw. Digitalisierung zeigt nur zu deutlich, dass wir, sehr viele von uns, gerne auf Hilfsmittel zurückgreifen, was zunächst ja nicht verwerflich ist, aber dabei dann die Kompetenz bei sich selbst verlernen. Ich bin viele Jahre getrampt, da habe ich es oft gemerkt, dass Menschen, die mit Navigationssystem unterwegs sind, oft nicht mehr wissen, wo und wohin sie unterwegs sind, in welcher Himmelsrichtung, und welche Orte sie dabei passieren. 
Und wir wissen spätestens seit Snowden, dass Social-Media-Plattformen uns schaden, uns ausspionieren und unser Nutzverhalten für deren Profite analysieren und unsere Meinung in Bezug auf Vorlieben, Konsum und Politik beeinflussen können, wir nutzen sie aber aus Bequemlichkeit dennoch weiter und hören dabei gerne zu, wie unser innerer Protest langsam verhallt.
Vielleicht hoffen wir auch einfach nur, dass es trotz allem wohl irgendwie doch nicht zu schlimm werden wird. 
Genau das tun wir nämlich trotz allen Wissens beim Klimawandel. 
- Weiteres zu Unwissen/Ignoranz:
Er nannte einen US-amerikanischen Vortragenden, den ich nicht kenne, dessen zwei Arten des Unwissens aber unmittelbar einleuchten. Ich würde es wahrscheinlich noch weiter differenzieren:
Ich weiß im Sinne von "ich bin mir dessen bewusst", dass es Wissensbereiche gibt, von denen ich vielleicht gehört habe oder sogar noch nicht gehört habe, über deren Inhalte ich aber nichts oder nur rudimentär etwas weiß. 
Zusätzlich muss ich annehmen, dass Wissen, "Weißbares" verfügbar ist, von dem ich nicht die leiseste Vorstellung habe, das also ganz außerhalb meiner Ahnungen liegt und wahrscheinlich viel viel größer ist als alles, was ich mir als mögliches Wissen auch nur vorstelle.
Dann gibt es Wissen, das ich habe, das ich aber aus verschiedenen Gründen nicht berücksichtigen, also ausblenden möchte, zB weil es mein Sein infrage stellt oder mir unbequeme Handlungen abfordert. Soweit ich es verstanden habe, wird damit "kognitive Dissonanz" bezeichnet, wenn wir zB wider besseres Wissen handeln. Die Selbstgerechtigkeit ist zumindest zu einem Teil auch dort zuhause.
Und dann gibt es Wissen, besser gesagt vermeintliches Wissen, das wir aus vermeintlich oder tatsächlich guten Gründen anzweifeln. ZB wird vielfach berichtet, Donald Trump sei Milliardär. Ich halte dies für eine "urban legend" und vermute, dass seine Schulden seinen vermeintlichen Besitz ziemlich nahe Null bringen würden und er sich nur auf dem Papier und durch die Hilfe vieler Anhänger als solcher stilisiert. Ignoranz und Zweifel halte ich für verschiedene Positionen. 
- "guter König" bzw. "Gelehrtenkönig":
Schon bei Platon finden wir den "Philosophenkönig" als Ideal der Herrschaftsform - Demokratie hat Platon als die schlechteste Form abgelehnt.
Meiner Auffassung nach gibt es keinen guten König für Untergebene, sondern ein solcher kann nur der Anfang, der erste Schritt sein zu einem Menschen, der nach und nach mehr und mehr Macht abgibt an mündige Mitmenschen, die er auf Augenhöhe bringt, vielleicht sogar "höher", wenn er begreift, dass er mit zunehmendem Alter nachlässt.
Dies sehe ich für einen König genauso wie für Eltern, Lehrer, eigentlich für alle Menschen, die in irgendeinem Bereich größeren Wirkungsraum als bzw. Vorsprung vor anderen haben: Sie sollen sich nicht zurücknehmen auf das Niveau anderer mit kleinerem Wirkungsraum, weniger Vorsprung, sondern anderen dazu verhelfen, mit ihnen gleich zu ziehen. 
Ich halte es für legitim, einen Vorsprung zu erreichen, solange er nicht dadurch gewonnen wird, dass anderen Schaden zugefügt wird. Gleichzeitig, und damit knüpfe ich an das vorherige an, würde ich eine gewisse selbsterkannte Pflicht sehen, anderen zu gleichem oder vergleichbarem Vorsprung zu verhelfen, selbstredend auch hier ohne nicht vertretbaren Schaden zu verursachen. 
Er nannte Hesses Glasperlenspiel als Beispiel für einen Menschen, der anstrebt, immer mehr Menschen zu dienen und dadurch ungewollt zum König wird. Das Buch steht bei mir im Regal, ich habe es aber noch nicht gelesen.
Schenken und lieben, meint er, darauf lässt es sich herunterbrechen, dem stimme ich auch unmittelbar zu und dafür braucht man auch keine komplizierte Akademisierung, wohl aber Gelegenheit, dieses als gut und den richtigen Weg erfahren zu können - und es darf kein Überlebensdruck wie Hunger und Unsicherheit, geschweige denn Gefahr für Leib und Leben vorherrschen. Und da ist dann wieder die Frage, ob Ressourcen-Versorgungssicherheit ohne Ausbeutung und Umweltzerstörung möglich ist. 
Mir ist zB keine Hochkultur bekannt, die sich entwickeln und etablieren konnte ohne auf Kriege, Sklaverei und Raubbau an der Natur zurückzugreifen und ich weiß auch nichts von Gesellschaften, dann wohl ja nur kleine Sippen, Clans, Stämme, die die Ressourcen gehabt hätten, alle ihre Mitglieder vegan, frei und friedlich an die Spitze der Bedürfnispyramide zu bringen.
Allerdings - und das soll keine Entschuldigung sein - kenne ich auch keine andere Lebensform, der ähnliches gelungen wäre. Fressen und gefressen werden ist normalerweise das, was wir gerne als natürliches Gleichgewicht romantisieren, aus dem wir uns, mit Verlaub, doch glücklicherweise befreien konnten. 
Hier auch zurück zum "guten König": Wird der seinen guten Thron einfach so, ohne Einsatz von zumindest einer gewissen Gewalt oder Rückgriff auf etablierten Glauben, er sei durch "Gott", "Weisheit", "Redegewandtheit" dazu privilegiert? Ich weiß nicht. Das Glasperlenspiel nennt wohl eine Alternative. Ich sollte es bald lesen. 
- Bildungsproblem erneut:
Im Prinzip beginnt es mit ungleichen Startbedingungen, ungleichen sozioökonomischen Verhältnissen, in die man individuell hineingeboren wird und seine ersten und weiteren Erfahrungen sammelt, sich "am Leben" bildet, wobei die Verfügbarkeit bzw. das Privileg einer guten Schulbildung dann nur Detail eines größeren Spektrums an sehr ungleich verteilten Chancen ist. Fraglich ist allerdings auch, ob von Geburt an geebnete Wege in ein Leben ohne viel Anstrengung die Lösung sind. 
Gestern sah ich zufällig ein Video von einer Orchester-Performance. 
Würde ein Orchester gut funktionieren und herausragende Ergebnisse liefern ohne einen Dirigenten oder eine Dirigentin? Ich kenne Jam-Sessions, aber wir weit kommen die?
Würde ein Film gut werden, der ohne Regisseur nur durch Individualisten auf Augenhöhe entstünde?
Wie weit entwickelt sich ein größeres, auf Kooperation angewiesenes Infrastrukturprojekt, wenn alle, die mitmachen, auf Augenhöhe bestimmen und nicht eine Person oder eine Personengruppe den Gesamtüberblick hat und von da aus anleitet bzw. eine Richtung vorgibt?
Es hat durchaus Vorteile, mit Macht und Machtgefälle zu arbeiten. Die Macht sollte allerdings von denjenigen, über die sie ausgeübt wird, an diejenigen frei, konsens- und projektbasiert vergeben werden, die sie ausführen sollen, und nach Projektabschluss bzw. nach einer bestimmten Zeit automatisch wieder abgegeben werden. Die römische Republik arbeitete diesbezüglich einige Jahrhunderte wohl einigermaßen erfolgreich mit dem Diktatorenprinzip projektbezogen auf Zeit. Waldorfschulen geben sich oft eine Schulleitung durch Wahl aus dem Kollektiv, und streng genommen, bei aller berechtigten Kritik, basiert auch die Institution Papst und unser Staatssytem auf einem solchen Prinzip, der Ausstattung von Individuen mit Macht durch Wahl aus dem Kollektiv. Die Umsetzung jeweils muss allerdings stets beobachtet und gepflegt werden.
Inzwischen ist Samstag Nachmittag, ich bin bei der Arbeit und möchte nun den Blogeintrag abschließen. Was steht also noch an? An der Proa habe ich nichts getan, möchte ich aber die kommenden Tage tun. Den Wagen muss ich noch anmelden, wenn ich endlich einen Termin dafür finde, dann würde ich mal mit ihm ins Grüne fahren und die Materialien für den Proa-Bau mitnehmen, vielleicht hat diese Umgebung bessere Auswirkungen, meine Antriebsschwäche zu regulieren. Meine wichtigste Einstein-Biographie habe ich heute morgen, wegen Leihfristende, bei der Bibliothek abgegeben, habe allerdings schon seit Monaten nicht mehr darin gelesen oder anderweitig an Einstein gearbeitet. Hierfür muss ich noch einen neuen Anpack finden. Für mein Segelboot habe ich nun einen Außenbordmotor und bald auch eine Möglichkeit, ihn zum Boot zu bringen, ansonsten bin ich mit dem Bootstransport auch noch nicht weiter. Ende Mai und im Juni gäbe es Zeit für meine Bootsreise, also sollte ich mich "bald" darum kümmern. Mein Internetkonsum und Digital Detox sind noch längst nicht optimal, aber immerhin nicht mehr so schlimm wie vorher. Das Fünfminutenschritt-Projekt ist fast wieder zum Erliegen gekommen. Zwar erinnert mich täglich mein Wecker daran, ich ignoriere ihn aber erfolgreich, nicht immer, aber doch häufig, das tut nur für wenige Sekunden weh. Ich muss daran noch einiges tun. In Bezug auf Bücher schreiben und Musik produzieren kam ich ebenfalls zu nichts, genausowenig beim Ordnungschaffen, aber auch das kann bald wieder kommen, am Horizont sehe ich es winken. In Bezug auf Erbe hüllt sich die Gegenseite in Schweigen, inzwischen auch meine Schwester und Miterbin, so dass ich bald vermute, sie hat ihren Zusatz bekommen unter der Bedingung, dass sie mithilft dafür zu sorgen, dass ich meinen nicht bekomme. In der beruflichen Neuorientierung hat sich nichts getan, allerdings bin ich mir auch noch nicht sicher, ob ich einen festen 9to5-Büro-Arbeitsplatz als Projektmanager möchte. Mir gefiele es nach wie vor besser, meine Grundbedürfnisse überwiegend aus eigenen Ressourcen abzudecken und nur für zusätzliche Freiräume Lohnarbeit anzunehmen, vielleicht sogar als Camper-Reisebegleiter mit meinem Kombi. Der Velo-Proa-Gedanke und seine ganze Vorgeschichte wuchsen aus diesem grundsätzlichen Anliegen, unabhängig selbstversorgend zu sein. Für die Proa müsste ich erneut Kontakt mit einem Krankenhaus aufnehmen, um einen Überblick über die Flaschensituation und gegebenenfalls Flaschen von dort zu bekommen. Auch das nehme ich mir für die kommende Woche vor. Und meinen ehemaligen Langzeitgast muss ich kommende Woche dazu nötigen, seine Sachen vollständig abzuholen und sich zur Rückzahlung zu äußern, verbindlich - sein Reisepass ist noch bei mir. Montag bis Donnerstag habe ich hoffentlich genügend Zeit und auch Muse dafür, all dies anzugehen, konkret: Wagenanmeldung, Proa-Bau-Anfang, Ex-Langzeitgast-Gepäck, Krankenhaus-Logistik, Bootstransport, Erbe. Freitag ist wieder eine Arbeitsschicht, Samstag oder Sonntag werde ich mich mit einer befreundeten Person treffen, die Woche darauf Dienstag und Donnerstag sind wieder Arbeitsschichten, dann ist für das Wochenende mein Kind bei mir, wieder die Woche darauf Dienstag 20. Mai kommt eine weitere und letzte Arbeitsschicht für diesen Monat, danach könnte ich bereits auf der Donau fahren, wenn ich bis dahin alles geregelt bekomme - wenn. Im Juni stehen halbwegs sicher zwei größere Schichten von jeweils etwa drei Tagen fest, darum herum ergibt sich weiterhin viel freie Zeit, vielleicht reicht die ja aus, das Schwarze Meer zu erreichen.
Soweit...

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