Der Besuch beim hochbetagten Freund bzw. bei seiner Feier anlässlich seines 90. Geburtstags war schön. Weil er von vielen langjährigen Freunden umgeben war, bestand für mich nicht viel Zeit, ihm persönlich zu begegnen, aber wie er die Feierlichkeit musikalisch-künstlerisch gestaltete, das war schön, zum Nachdenken anregend, auch kreativ anregend für mich dergestalt, dass ich mir überlege, bei meiner Musik gelegentlich die Sonatenhauptsatzform zugrunde zu legen. Er spielte die schwierigsten Klaviersonaten von Liszt und Beethoven.
Die zwei Doppelschichten verliefen quasi wie im Flug. Wohl waren sie etwas überschattet von einem Todesfall im näheren Kreis der zu pflegenden Person, aber abgesehen davon gab es keine besonderen Vorkommnisse.
Mit Einstein kam ich in Bewegung, ich lese weiterhin meine bisherige Lieblingsbiografie über ihn und schreibe darauf aufbauend erste neue Textrümpfe:
"Mich interessierten drei Punkte im Besonderen an Einsteins Leben und seiner Forschung:
1. Wie fand Einstein in den letzten Wochen und Monaten vor ihrer Veröffentlichung die letzten entscheidenden Ideen für seine Spezielle Relativitätstheorie?
2. Worin liegt die Genialität Einsteins begründet?
3. Wie hat sich sein Selbstbild von vor der Relativitätstheorie, 1904, zu danach, 1920, verändert?
Zu 1. gibt es in den Einstein Papers wenige Quellen und auch viele Biografen lassen dieses Kapitel aus bzw. äußern sich darüber vor allem in Vermutungen, wobei es dann vor allem um Milevas oder Bessos mögliche Beiträge geht. Abraham Pais, für die Einsteinforschung meist als erste Adresse genannt, schildert zwar in aller Ausführlichkeit, welche vorhergehenden Theorien für die Relativitätstheorie essentiell sind und Einstein bekannt gewesen sein müssen nebst deren Autoren und Veröffentlichungen, kann aber nicht feststellen, welche davon er wann und mit welchem Ergebnis, mit welchen eigenen Erwägungen, rezipiert hat.
Deswegen unbefriedigt, setzte ich meine Recherchen in den Weiten des Internets fort und stieß auf die Dissertationsschrift Eren Simseks, der sich darin genau dieser Recherche detailliert und ausführlich gewidmet hat. Insbesondere stellt er eine Beziehung her zwischen den Theorien Ernst Machs und Einsteins, plädiert also dafür, dass Einstein seine Spezielle Relativitätstheorie im Geiste Machs formuliert haben soll. Dabei verweist er auf Einsteins Kyoto-Rede von 1922, in der Einstein seinen Forschungsweg darstellt und sich insbesondere mit Mach auseinandersetzt, der, kürzlich verstorben, in einem angeblich gefälschten Vorwort zu seinem Gesamtwerk die Relativitätstheorie ablehnt. Diese Kyoto-Rede ist laut Simsek noch zu wenig beachtet in der Einstein-Forschung, galt lange sogar als verloren bzw. verschollen, daher möchte ich sie in meine Arbeit aufnehmen und Simseks Äußerungen dazu diskutieren.
Des Weiteren recherchierte Simsek zu Einsteins letzten Monaten vor der Veröffentlichung der SRT und fand eine Diskussion in den Annalen der Physik, eine Polemik über die Elektrodynamik bewegter Körper, in die Einstein mit dem Artikel zu seiner Speziellen Relativitätstheorie einstieg - so Simseks Interpretation. Auch diese Polemik möchte ich betrachten und Simseks Interpretation diskutieren.
Zu 2. wie auch zu 3. fand ich unter den zahlreichen Biografien über Einstein schließlich die von Jürgen Neffe, der zu beiden Punkten für mich interessante Ansätze liefert, die ich gerne in dieser Arbeit darstellen und diskutieren möchte, allerdings nur als Anhang - der Fokus der Arbeit soll auf Punkt 1 liegen.
Auch hierzu, zu Punkt 1, äußert sich Neffe und zeigt die Problematik zu den fehlenden Quellen bezüglich Einsteins Entwicklung der Speziellen Relativitätstheorie wie folgt auf:
a) Dazu, dass kaum Notizen, Briefe, Manuskripte vorhanden sind, schreibt er (96f):
Dann aber fällt sein [Schulmamns] Blick erstmals auf Kopien der so lange gesuchten Liebesbriefe zwischen Albert und Mileva. [...] Otto Nathan hat in dieser Sache nichts mehr zu melden. [Nathan versuchte lange diese Veröffentlichung und alles, was einen Schatten auf Einstein werfen könnte, zu verhindern]. [...] Der Rechtsanwalt der Familie holt [am 18.04.1986] die Originalbriefe höchstpersönlich aus einem Schließfach und fertigt noch in der Bank von jedem Exemplar zwei Fotokopien an - eine für die Hebräische Universität, eine weitere für die Forscher um Schulmann. [...] Gleichsam im letzten Augenblick kann die Korrespondenz noch in den ersten Band [der Einstein Papers] aufgenommen werden. [...] Nur elf der 54 Briefe tragen ihre [Milevas] Handschrift, der Rest stammt aus seiner [Alberts] Hand. Sie hat gesammelt und aufbewahrt, er aber verloren und weggeworfen - nicht selten, nachdem ihm die Rückseiten als Schmierpapier für Kalkulationen oder Notizen dienten.
Einstein ist in seinem Leben mehr als 25-mal umgezogen. Allein in seiner Schweizer Zeit zwischen 1895 und 1911 hat er über 15-mal den Wohnsitz gewechselt. In Bern waren Albert und Mileva unter sechs verschiedenen Adressen zu Hause. Das hält den Hausstand in Grenzen.
b) Allgemein über die Einstein Papers schreibt Neffe (85):
80.000 Dokumente, und doch fällt es schwer, sich ein ausgewogenes Urteil zu bilden. Sehr viel stammt von Einstein, viel weniger gibt es an ihn und viel zu wenig über ihn, besonders aus der ersten Lebenshälfte, aus der Zeit vor 1919. Vieles über ihn, was danach erscheint, leidet zudem unter Verzerrung durch Verehrung (und nicht selten auch Hass). Der Einstein-Mythos ist größer als Einstein selbst. Die Legende verstellt den Blick auf den Lebendigen.
c) Zur Entwicklung der Speziellen Relativitätstheorie, insbesondere zu Milevas Beitrag äußert er (122):
Auf seinem Weg zum Gipfel ist Mileva für Einstein die wichtigste Begleiterin. Auch wenn sie ihn mit voller Kraft nur bis zum Basislager begleiten kann, hat sie dem Himmelsstürmer womöglich wegweisende Hilfestellungen gegeben.
Von Einstein dazu kein Wort. Wie auch anders? Als er die Entstehungsgeschichte der Relativitätstheorie erstmals schildert, hat er sich längst von Mileva abgewandt. Bis ins hohe Alter bringt er immer neue Versionen hervor. Milevas Name taucht nicht auf. Aber nicht nur der ihre fehlt. Andere wichtige Weggefährten finden ebenfalls keine Erwähnung.
Als Mensch des 19. Jahrhunderts, beseelt vom romantischen Genie-Kult seiner Jugendlektüre mit dem Entdecker als einsamem Helden, hat sich Einstein nie als Teil eines Teams verstanden. Die Beiträge seiner Zuträger nimmt er, durchaus freundlich und oft lebenslang dankbar, ohne weitere Würdigung in sein Gesamtkunstwerk auf - als seien sie dem Genie gleichsam naturgesetzlich zugefallen.
Diese Zeilen Neffes geben ziemlich deutlich wieder, wie sich mir die unbefriedigende Datenlage zu Einsteins Entwicklung der Speziellen Relativitätstheorie darstellt und weswegen ich mich auf neue Suche begeben habe, die mir Simseks Dissertation einbrachte und dessen Ergebnisse ich dementsprechend mit großer Spannung analysieren möchte."
Natürlich noch nicht sehr viel Neues und noch nicht viel Konkretes, aber immerhin eine klarere, erkennbare Richtung.
Aktuell bin ich auf der Reise mit meiner Mutter. Nachdem wir uns aus verschiedenen Richtungen kommend in Saarbrücken trafen, verbrachten wir den ersten Tag in Metz und die folgenden dann in Paris, zunächst viel zu Fuß unterwegs durch die Stadt Richtung Arc de Triomphe, Rue des Champs Elyssées, Montmartre, Louvre und Notre Dame, heute dann in den Louvre, der für Menschen mit Behinderung kostenlos und ohne Schlangestehen zugänglich ist.
Heute, am 30.10., kam mir morgens in einer halb Traum-, halb Wachphase ziemlich klar die Vorstellung, dass ich mein Schreibebedürfnis, das sich in Kommentaren und Wortgefechten im Internet entlädt (übrigens auch weiterhin, trotz digital detox), in einer Art Textagentur professionell bzw. semiprofessionell kanalisieren könnte. Würde ich dies gewerblich tun, bräuchte ich lediglich einen Gewerbeschein, keine sonstige offizielle Qualifikation. Allerdings, so meint es eine Freundin, soll ich zunächst noch ohne Gewerbeschein beginnen, mich ausprobieren, und ich dachte direkt an diesen Blog, wo ich ja schon einzelne Texte auch außerhalb der Kynosarges-Serie gesammelt habe. Wenn ich es intensiviere, würde ich einen neuen Blog ausschließlich für diesen Zweck starten. Ein guter Aspekt neben vielen weiteren ist, dass ich diese Tätigkeit nebenbei tun kann, sozusagen remote, von überall, wo es zunächst einmal Strom für mein Schreibgerät gibt, wobei man natürlich auch auf Papier schreiben kann, aber wo es für den Kundenkontakt dann auch eine Internetverbindung gibt.
Zum oben erwähnten Digital Detox bzw. der Diät kann ich sagen, dass meine Bildschirmzeit weiterhin hoch ist und dass ich weiterhin, seltener, aber dennoch, mich online an politischen Wortgefechten beteilige. Doom-Scrollen tu ich nicht mehr, das ist tatsächlich heilsam. Die Einstein-Arbeit, das Lesen, hat ebenfalls heilsam beigetragen, die Bildschirmzeit zu reduzieren. Und natürlich trägt die Reise mit vielen Eindrücken auch dazu bei, die Bildschirmzeit zu reduzieren. Während Bahnfahrten bin ich in letzter Zeit auch öfter dazu übergegangen, lediglich mit schöner Musik im Ohr die vorbeiziehenden Landschaften zu genießen und ansonsten das Display auszuschalten. Bezüglich Sport gab es noch keine Entwicklung. Lediglich einmal, vor der ersten Doppelschicht, bin ich früh morgens aufgestanden und eine kurze Strecke gejoggt und habe versucht, auf dem Klettergerüst zu meditieren, was aber einerseits wegen Unbequemlichkeit und andererseits wegen Verkehrslärm nicht gut möglich war.
Immerhin habe ich häufig morgens und abends am Rande des Schlafes intensive Vorstellungen meines Velo-Proas, wie ich diverse Aufgaben gelöst bekomme. Die Hauptrumpf- bzw. Kiellinie aus einer doppeltem Reihe aus Kanistern gilt für mich inzwischen als gesichert. Aktuell, jetzt in diesem Moment, spinnt mein Gehirn los, zu ergründen, wie ich das eine, kleinere Kanu der beiden möglichst kompakt zerlegen kann, um es in der Bahn mitzunehmen, also was dann mit den Kanistern geschieht, in wie viele Segmente aufgeteilt ich das Kanu aufbauen muss, dass es sowohl als Velo als auch als rollendes Gepäckstück mit Falträdern passt und wie viel davon eine Art Rucksack ergeben sollte. Viele Fragen sind weiterhin offen, viele Gedanken kreisen weiterhin kreativ, und egal, was schließlich daraus wird, allein dies ist schon erfüllend. Flaschen und Kanister muss ich allerdings weiterhin noch sammeln.
Nüsse und Esskastanien muss ich weiterhin noch sammeln, auch fürs Drachensteigen muss ich noch Schnur finden, beides geht mit Kind gut, das nächste Mal am Sankt-Martin-Wochenende. Ansonsten bleiben weitere Tage in Paris, weitere Arbeitseinsätze, weiteres Arbeiten an Einstein, an der Velo-Proa und an der Textagentur. Das Digital Detox nebst Diät und Sport führe ich weiter so fort, mit leichten Verbesserungen.
Soweit...
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