Hiermit möchte ich meine Leserschaft dazu einladen, einem neuen Ansatz dieses Blogs beizuwohnen, der, teils sich selbst persiflierend in gestelzter Sprache geschrieben, Überblick geben soll über die verschiedenen Projekte und Ideen, die mich beschäftigen. Hierzu möchte ich in einem Turnus von einem bis drei Beiträgen pro Monat zum Einen rückblickend berichten, zum Anderen in die Zukunft planen, was mein Leben bewegt. Damit hoffe ich mehrere Ziele zu verfolgen: Als erstes habe ich so für später eine Art Erinnerungstagebuch, zum Zweiten bekomme ich so hoffentlich meine diversen Projekte besser auf den Weg und drittens eigne ich mir so eine bessere Schreibroutine an. Zusätzlich noch, dann eher für die Zukunft, könnte ich jeden Blogeintrag als Skript für einen Podcast nutzen, weswegen ich eine entsprechende Gliederung und zehn bis dreißig Vorleseminuten entwickeln möchte.
Zu Beginn möchte ich auf die letzten, sagen wir, 15 Tage zurückblicken. Heute, der Tag, an dem ich beginne, ist Montag, der 03. Juni. Zwei Wochen zuvor war Pfingstmontag. In der Nacht zu Pfingstmontag reiste ich mit dem Zug zu meiner Mutter, mit der ich am gleichen Tag noch zur Mecklenburgischen Seenplatte aufbrach, wo wir ab Nachmittag an der Müritz für eine Woche ein rollstuhlgerechtes Hausboot gemietet hatten. An den ersten Tagen fiel es mir noch etwas schwer, mit dem floßartigen Hausboot ohne anzuecken zB in Schleusen ein- und auszufahren, doch nach und nach gewann ich mehr Sicherheit und konnte es zuletzt fast reibungslos in die engsten Parklücken manövrieren. Der Wetterbericht kündigte durchwachsenes, meist regnerisch trübes Wetter an, umso erfreuter waren wir, als es sich als überwiegend sonnig und warm herausstellte und zum Bräunen einlud. So ging es an sechs Tagen von der Müritz über Mirow und Kleinzerlang bis nach Strasen und wieder zurück nach Rechlin. Montag darauf ging es mit einem Zwischenstopp in Birkenwerder bei Freunden für einen Ausflug nach Berlin zwischen Alexanderplatz und Botschaftsviertel mit Übernachtung in Dreilinden, am Dienstag folgte eine Rundfahrt durch Potsdam und die Rückfahrt zu meiner Mutter nach Hause. Mittwoch dann fuhr ich wieder zurück zu mir, bekam abends einen Couchsurfer, einen durch Europa radelnden jungen Ukrainer, der sich abenteuerlich durch die Wildnis der Karpaten nach Rumänien durchgeschlagen hatte und hier die Freiheit und Unabhängigkeit genießt. Donnerstag am späten Nachmittag verließ er mich wieder, so dass ich dann noch etwas an einer Studienarbeit schreiben konnte. Freitag gab es zunächst ausgiebiges Frühstück auf der Couch mit einer Freundin, dann kam eine weitere Couchsurferin, die für ein Seminar in chinesischer Medizin und Akupunktur bis Sonntag bleiben wollte, gleichzeitig hatte ich jenes Wochenende meine Tochter bei mir, die sofort einen innigen Kontakt zu ihr fand. Montag, heute, schließlich, begann ich damit, meine Stimme für die Europawahl abzugeben, durch die Stadt an den Rhein zu joggen und trotz recht kühler Temperaturen mit kurzem Neoprenanzug ins Wasser zu steigen, dann verbrachte ich den Tag in einer 10h-Arbeitsschicht. Soweit ein grober Überblick über die letzten 15 Tage.
Die oben erwähnte Studienarbeit behandelt Albert Einstein, wie er zwischen 1895 und 1905 die spezielle Relativitätstheorie ersann und welche Bedingungen notwendig und hinreichend waren für seinen Erfolg. Die vergangenen 15 Tage konnte ich nicht viel daran arbeiten einerseits wegen sehr schlechter Internetverbindung auf dem Boot und weil ich durch Gäste abgelenkt war. Immerhin aber konnte ich mich durch einige abfotografierte Buchseiten Abraham Pais' "Raffiniert ist der Herrgott" arbeiten, worin er Einsteins Theoriebildung nachzeichnet, zB welche Literatur und Theorien ihm bekannt waren und worin sein eigener Beitrag bestand, denn die zeitgenössische Forschung war bereits kurz vor dem Schritt, den er schließlich ging.
Ansonsten beschäftigten mich die Tage einschließlich heute online in Social Media insbesondere Themen über Gewalt und Ausschreitungen bezüglich des Konflikts im Nahen Osten. Regelmäßig erregt mich, wie Wut, Lügen und Hass darüber verbreitet werden und ich fühle mich berufen, mich einzumischen und teilweise gegenzusteuern, teilweise mit einer Portion Polemik, vielleicht sogar Zynismus. Gleichzeitig regt mich die Thematik auch ungemein an, eine Geschichte darüber zu schreiben, die aus mehreren konträren Perspektiven dazu Reflexion über Selbstgerechtigkeit anregen soll.
Zynismus, das wurde mir schon voriges Jahr klar, spielt eine große Rolle in meinem Leben. Damit meine ich nicht zwangsläufig oder in erster Linie den verletzenden Spott, der allgemein darunter verstanden wird, sondern insbesondere den Kynismus des antiken Griechenlands, der wohl den meisten durch Diogenes von Sinope, der im Fass lebte, bekannt sein dürfte. Zum Kynismus fand ich vor einiger Zeit einen interessanten Artikel (https://www.100komma7.lu/article/wessen/zynismus-heute), aus dem ich hier zitieren möchte: Der Kyniker "bezeichnete sich als "kosmopolitès", als Weltbürger", ihn zeichnet ein "unbedingter Wille zur Freiheit" aus. "Das gilt insbesondere für den materiellen Besitz, der, laut Kynismus, Ursprung einer chronischen Unzufriedenheit ist": "die Abwesenheit von Bedürfnissen macht den wahren Reichtum aus". "[W]ie kynisches Denken funktioniert: der sarkastische Blick auf etablierte
Vorstellungen macht deren Willkürlichkeit überdeutlich und stößt die
Reflexion an" - für viele Menschen, gefangen in ihren komfortablen Gewohnheiten, kann dies unbequem bis schmerzhaft sein. Neben der Akademie Platons und dem Lykeion Aristoteles' gab es für "unechte" Athener das Kynosarges am Rande der Stadt als drittes Gymnasion, aus welchem die Kyniker hervorgingen. Ob ich mich als vollwertiger Kyniker betrachte? Wohl eher nicht. Aber Kynismus macht dennoch einen großen Teil meines Weltbilds und Selbstverständnisses aus.
Bislang sah ich viele meiner Werte und Konzepte unter dem Schirm des Freeganismus' vereinigt. Das trifft auch weiterhin zu, doch gefällt mir die Referenz zu den Kynikern inzwischen besser, auch wenn der Freeganismus natürlich leicht als kynisches Konzept interpretiert werden kann. So fällt für mich Trampen, Campen, Couchsurfen, Containern, Sperrmüll und Second Hand schon lange darunter, Phänomene, die ich seit Jahren, teils Jahrzehnten tief für mich zu Gewohnheiten habe werden lassen. Etwas neuer, aber inzwischen auch schon für wenige Jahre zähle ich Segeln, ein unabhängiges nomadisches Leben auf Vehikeln, die mit der Energie von Sonne und Wind oder sogar nur mit Muskelkraft betrieben werden, Nachhaltigkeit, Unabhängigkeit und Selbstversorgung zu Zielen meiner großen Sehnsucht unter dem Schirm des Kynismus.
Bei aller Unabhängigkeit geht es, zumindest in unserer westlich industrialisierten Welt, letztlich um finanzielle Unabhängigkeit, die dadurch quasi notgedrungen auch ein Ziel von mir sein muss, und zwar auf mehreren Wegen. Klassische Lohnarbeit ist bislang mein einziger abgesehen von Altersvorsorge. Hinzu kommen soll weitere, zB remote ausführbare Lohnarbeit in Eigenregie, möglicherweise Vertrieb und Publizistik, und natürlich durch größere Unabhängigkeit in Ressourcen und Infrastruktur unmittelbar geringerer finanzieller Bedarf.
All dies müsste in konkrete Projekte kleinschrittig strukturiert werden, wozu diese neue Blogreihe ein unterstützendes Werkzeug sein soll, zumindest ist dies als Versuch gedacht. Für die kommenden Tage, dies können bis zu 15 sein, steht ziemlich viel an Lohnarbeit an, viele Schichten, so dass nicht sehr viel anderes Zeit finden wird. Angesichts einer Klimakonferenz vor Ort erwarte ich einen Übernachtungsgast ab Montag nächste Woche, außerdem bin ich die kommenden beiden Wochenenden bei einem Tauchkurs. Demnach wird darüber hinaus wohl nur Zeit für Einstein sein: Ein Personenverzeichnis wollte ich schon vor einigen Wochen erstellen, das wäre ein nützlicher Schritt für mein weiteres Vorgehen, den ich auch in die Arbeit einbeziehen kann. Darüber hinaus ist noch sehr viel zu lesen sowohl bei Pais als auch in der reichhaltigsten Quelle, den Einsteinpapers, die zum Großteil, zumindest die wichtigsten, online abrufbar sind. Briefe zwischen ihm und Mileva Maric lesen, das wäre ein weiterer wichtiger Schritt, sowie auf dem bisher Gelesenen basierend einigen kurzen Rohtext formulieren. Sogar während der einen oder anderen Schicht würde ich gewiss dafür Zeit finden können. Mal sehen, wie weit ich komme, denn diese Arbeit soll bald frei werden. Dann warten noch sechs weitere.
Hiermit schließe ich. Montag ist auch schon vorbei. Bis bald.
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