Direkt zum Hauptbereich

Utopie und Dystopie

Eigentlich gelten Utopie und Dystopie als Gegensatz: Die erste beschreibt ein erstrebtes Szenario, möglicherweise so fantastisch, dass es unerreichbar scheint, die zweite ein bedrohliches, oft so düster, dass auch dieses unwahrscheinlich sein muss.
Im Bereich der Utopie sehe ich Träume, Wünsche, Hoffnungen als Motivatoren für Entwicklungen. Denn nur Bewegung auf ein Ziel ist dieses: Entwicklung. Im Bereich der Dystopie sehe ich Angst und Schmerz. Aber auch diese sind ein Motivator, indem Entwicklung das Ziel hat sie zu vermeiden. Man kann sich also fragen, ob in der Dystopie die entsprechende Nicht-Dystopie als Utopie steckt und als solche motivierend wirkt. Rein rechnerisch müsste auch die Nicht-Utopie eine Dystopie sein, also müssten unerfüllte Wünsche schmerzen. Je desillusionierter wir sind, desto weniger spüren wir allerdings leider diesen Schmerz.
Es gibt große und kleine Utopien. Menschen finden sich in Gruppen zusammen, wenn sie Utopien miteinander teilen. Je mehr und je größer die gemeinsamen Utopien sind, desto stabiler halten die Verbindungen. Es kann also in großem Maße die Gemeinschaft stärken, wenn man sich regelmäßig über individuelle und gemeinsame Wünsche austauscht. Hierbei kommen denjenigen Personen natürliche Führungsrollen zu, die in anderen Personen Utopien wecken können.
Dies betrifft dann auch nicht mehr nur Menschen, denn auch im Tierreich gibt es die Utopie der Ressourcen- und Nachwuchssicherheit, durch die ein potenter Ernährer andere dominiert. Möglicherweise ist aber auch die Evolution an sich nicht nur eine zufällige, ungerichtete "Entwicklung ohne Ziel", sondern ebenfalls von einer Utopie getragen und geleitet. Vielleicht ist das, was in vielen Kulturen als Gott- oder Paradies-Vorstellung herrscht, ein Ausdruck solch einer Utopie. Denn das Leben ist darauf programmiert zu leben, Organismen verfolgen ihr individuelles und die Welt als System ihr eigenes Ordnungsprinzip. Auf den ersten Blick scheint es, dass sich diese widersprechen, denn jeder lebende Organismus bringt die Ordnung der Elemente durcheinander, wühlt sie auf. Doch bereits Sterne tun dies. Es scheint also, dass das Sein einer Utopie des Werdens unterworfen ist. Es geht nicht um das Ziel, sondern um den Weg.

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Sexualverhalten

In den Medien wird derzeit ein Mann kritisch beleuchtet, der sich einen Namen machen konnte als satirischer Sprücheklopfer des linken und feministischen Spektrums. Er äußerte sich, sich selbst beschuldigend, dass er sich in seinen Beziehungen oft nicht entsprechend der Maßstäbe verhalten habe, die er durch seine öffentliche Arbeit setzte, sondern mehrere seiner Partner:innen sogar schlecht behandelt habe. Zum Einen wird er nun von den Massen verrissen, die von vornherein Wokeness und Feminismus gegenüber feindlich eingestellt waren, mit einer gewissen Häme, wie man erwarten kann, wenn man jemanden von einem hohen Ross herunterzerren kann. Zum Anderen verreisst ihn auch das linke Spektrum als scheinheilig und Verräter der eigenen Werte. Dazwischen gibt es Stimmen, die fragen, welcher Mensch mit öffentlichem Vorbildcharakter privat ohne Fehler ist wie auch, warum die Gesellschaft gerne Menschen überhöht, denn letztlich sind wir doch alle Menschen und scheitern regelmäßig an unseren Schwä...

Kynosarges 2501

Es ist der 20. Januar, seit Ende Dezember des vergangenen Jahres, also seit dem letzten Beitrag ist sehr viel passiert, das es mir schwer macht, es alles in ein Bild zu bekommen. Ich las den Roman "Die Vermessung der Welt" von Daniel Kehlmann, der sich abwechselnd mit Humboldts Forschungsreise und Gauss' Forschungsdenken befasst, eine lohnende Lektüre, wenn ich das sagen darf, während ich letzte Woche verreist war. Die Wahl dieser Lektüre als Reisebegleitung war ziemlich zufällig, stellte sich jedoch als ziemlicher Katalysator heraus. Ziemlich mittig im Buch, im Kapitel "der Berg", äußert sich Humboldts Begleiter Bonpland über die bisherigen Reiseerlebnisse wie folgt: "Denke er an die vergangenen Monate, so sei ihm, als habe er dutzende Leben hinter sich, alle einander ähnlich und keines wiederholenswert. Die Orinokofahrt [Expedition des Vorjahres] scheine ihm wie etwas, wovon er in Büchern gelesen habe, Neuandalusien [heutiges Venezuela] sei eine Legende a...

Kynosarges 2415

Heute, am 28. Dezember, auf dem Weg zur Nordsee mit   der Arbeit, möchte ich einen Rückblick über die vergangenen Tage, über das vergangene Jahr mit Ausblick auf das kommende Jahr verfassen nebst einiger Betrachtungen zu den Fünfminutenschritten für den Fünfjahresplan sowie zu Verbindlichkeit und Disziplin im weitesten Sinn. Der Dienst um den 17. verlief ohne weitere besondere Vorkommnisse, danach beschäftigte ich mich mit dem Fünfjahresplan über ChatGPT, was allerdings nur wenig erhellend war - dazu unten mehr. Essen verteilen, ein nächtlicher Spaziergang auf den nahen Klosterberg und Flyer verteilen waren ein paar Tätigkeiten während jener Tage, zudem ein Besuch beim Christgeburtsspiel an der Waldorfschule in meiner Stadt. Samstag hatte ich mein Kind wieder, verbrachte den Mittag in der Bibliothek mit einem neuen Spiel, bei dem es um viel Hektik und Zeitmanagement im Zusammenhang mit Kochen ging. Nachmittag und Abend verbrachten wir mit Essen, Lesen und Film, am nächsten Morgen ...